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17.01. – 03.02.2018 Chiloe, Vulkane und Seen

Mit einem Steaksandwich zum Frühstück geht es gegen 6 Uhr auf die Fähre. Um 7 Uhr laufen wir im Morgengrauen aus und lassen Puerto Cisnes hinter uns. Nebel und Wolken lassen die Fjordlandschaft nur erahnen, einige Muschel- und Fischfarmen ziehen an der Fähre vorbei. Während der 12-stündigen Fahrt gibt es lediglich einen kurzen Stopp an einer Insel, bevor die Menschen in Quellon an Land strömen. Quellon – südlichste Stadt der Insel ist reizarm. Irgendwo soll ein „Ende der Panamericana“-Schild stehen, es gibt einige Supermärkte, das übliche „Kunsthandwerk“, einfachste und dennoch nicht so günstige Unterkünfte und das Gefühl, dass die Stadt schon deutlich bessere Zeiten sah. Bemerkenswert ist die Duschkonstruktion meiner Hospedaje: Scheinbar wird das Wasser direkt im Duschkopf, der an einen Fön erinnert, elektrisch erhitzt. Zumindest deuten die Kabel daraufhin. Ich wähle dann doch lieber die andere Dusche, deren Installation etwas sicherer scheint.

Zum Mittag ein Highlight der Inseltage: Curanto – Muscheln, Fisch, Schwein, Rind, Gemüse, Kartoffeln und Brühe in einem Gericht. Sehr reichhaltig und genug Eiweiß für die nächsten Tage. Traditionell wird diese Art Eintopf im Erdloch zubereitet. Ich bekam offensichtlich die moderne Küchenvariante und nahm an, die Muscheln kommen direkt von der schwimmenden Muschelfarm, die man vom Restaurant aus sehen konnte.

Am nächsten Morgen geht es direkt weiter auf der Ruta 5 – der Autobahn die am Festland auch nach Santiago de Chile führt. Nach 100 km erreiche ich Cucao – circa 20 km von der Ruta 5 entfernt. Wind und fiese, riesige, orangene, hungrige Pferdebremsen mindern den Fahrtgenuss auf den letzten Kilometern – Wildzelten an einem der Seen ist so jedenfalls nicht möglich. Cucao rühmt sich seines kilometerlangen Pazifikstrandes – kiesig, wildromantisch und kalt. Am Horizont ahnt man die „12 Apostel Chiles“ – ähnlich denen in Australien ragen Felsen aus der Brandung. Der Weg dorthin ist jedoch nochmal 15 km weit und verläuft über fieses Waschbrett. Nach dem kurzen Strandbesuch verbringe ich den Abend lieber am Zelt mit Blick auf den See. Der nahe Nationalpark bietet keine andere Landschaft als das Umland, wird also nicht besucht.

Zurück zur Ruta 5, solange es nieselt auch ohne lästige Beißinsekten. Nach dem Kaffee- und Kuchenstop wecken die ersten Sonnenstrahlen aber auch diese Biester auf. Castro, 60 km weiter, bietet ein paar Pfahlhäuser, mehrere der für Chiloe typischen hölzernen Kirchen, frisches Obst und eine sehr nette Herberge mit entspannten Menschen. Zudem ist Castro Ausgangspunkt für Ausflüge zu den vorgelagerten Inselchen. Nächster Stop nach weiteren 100 km ist Ancud – ein für die Region typisches Folklore- und überwiegend Fressfest ließ ich aus, fuhr aber ein bisschen durch das Hinterland und wieder auf der 5 weiter nach Norden.

Ancud, bereits im Norden der Insel rühmt sich seiner spanischen Festung, oder dem, was davon übrig blieb – ein paar alte Kanonen und geschliffene Mauern – sehr übersichtlich. Dennoch macht das Städtchen einen netten Eindruck – beim Gemüsehändler beginnt mit dem Namen „Arturo Vidal“ mal wieder eine nette Unterhaltung, die in geschenktem Obst mündet. Mit einem Pausentag (inklusive Ananas mit Minzzucker, selbstgebackenem Brot und Sonnenbad auf der Veranda) auf der angeblich so regenreichen Insel stimme ich mich auf das Festland ein und verlasse nach knapp 5 Tagen die Insel in Richtung Puerto Montt / Puerto Varas. In der Nähe steigt Rauch auf und ein Löschhubschrauber pendelt über Stunden zwischen der nahen Bucht und dem Feuer, offensichtlich innerhalb der Stadtgrenze – bei all den Holzbauten entlang der Straßen ein Anblick mit fragwürdigem Bauchgefühl.

Frisch geht´s vom nächsten Hafen aus auf der Autofähre ans Festland. Nach 20 Minuten Überfahrt wird auch der letzte Rest der nächsten 100er Etappe auf dem Seitenstreifen der mehrspurigen Autobahn gefahren. Vermutlich auf Grund der Mautgebühren ist der Verkehr bis wenige Kilometer vor Puerto Montt jedoch kaum existent. Auf Flüsterasphalt geht es an Fahrradverbotsschildern und Mautstationen vorbei – die einzige Polizeistreife die ich heute sehe, besteht darauf, mir an der Autobahnauffahrt die Vorfahrt zu überlassen. Ich schließe daraus die wohlwollende Duldung unmotorisierter Zweiräder auf der Schnellstraße. In Puerto Montt wird direkt am Knast Kunsthandwerk (der Insassen?) verkauft, ein Blick hinunter in den Talkessel mit Kreuzfahrtdampfer genügt jedoch, um Puerto Varas – kaum 20 km weiter – den Vorzug für´s Nachtquartier zu geben: Eine goldrichtige Entscheidung: Der Ort ist sonnig, liegt am See und das wichtigste: Beim Campen im Hostelgarten treffe ich Liam und Jake – meine beiden ebenso bärtigen wie auch sympathischen Reisekameraden aus England. Spontan bleiben wir eine Nacht länger, backen gemeinsam vegetarische Pizza, gefolgt von Apfelkuchen und Pan Aleman. Nach kleinen Kostproben möchte die Hostelbetreiberin uns adoptieren, aber wir wollen wieder auf´s Rad. Jake und Liam hatten gerade einen Monat Radpause – um auf Kuba Familie und Freundin zu treffen (Liam) bzw. zur versuchten Besteigung des 6.900 m hohen Aconcaqua bei Mendoza und um in Santiago zu arbeiten (Jake als Stage-Rigger einer größeren Show). Und auch die beiden erhielten in O´Higgins am Grenzposten keine Touristenkarte (mit Hinweis des Grenzers,der Stempel würde doch reichen), geben mir aber den heißen Tipp, diese in Puerto Varas beim örtlichen Polizeiposten nachträglich ausstellen zu lassen. Das klappt ohne Probleme und ist wohl eine gute Entscheidung, sonst hätte ich von der Grenze wohl nochmal zurückfahren können, um die Karte irgendwoher zu bekommen.

Die kommende Woche fahren wir gemeinsam entlang der Seen (südlich des Llanquihue sogar auf Radwegen) und Vulkane (Osorno u.a.), campen teils wild, queren Flüße mit allen Rädern auf winzigen Booten, baden in Seen, Flüßen und (kleinen) Wasserfällen, haben wunderbare Mittagspausen und Unterhaltungen. Das Wetter ist weiterhin überwiegend sommerlich, oft über 20 Grad warm und trocken. Zusammen bilden wir das 3B-Team – Boys with blue Jackets and Beards. Mit 70-80 km per Tag geht es Richtung Argentinien und über den Pass im Park Puyehue schließlich ins Nachbarland. Von 300 m geht es binnen 25 km hoch auf 1300 km und auf der anderen Seite auf der Kilometerlangen Abfahrt wieder hinunter auf 800 Meter. Die Staatsgrenze lässt sich auch am unterschiedlichen Straßenbelag erkennen. Beeindruckend sind nicht nur die nahen Vulkane, auch die in Bränden zerstörten Wälder mit den ausgeblichenen hölzernen Überbleibseln haben ihren ganz eigenen Reiz. In Villa Angostura „schlafen“ wir auf dem bisher staubigsten Campingplatz – der ist eigentlich ganz schön angelegt, wenn auch vernachlässigt. Tagsüber sind die musizierenden Hippies hier ja noch ganz witzig. Aber als dann ab 23 Uhr Lagerfeuer und Musik direkt neben unseren Zelten starten, bei weitem nicht jeder Ton getroffen wird und das Gelage bis weit in den Morgen fortgesetzt wird, bereuen wir unsere Schlafplatzwahl. Müde gehen wir am nächsten Tag die letzte Etappe nach Bariloche an – nochmal rund 90 km durch Pampa, Sonne und ein bisschen Windschattenfahren. Während die Jungs campen, nutze ich mal wieder eine Hostelküche zum Backen, kuriere eine kleine Erkältung aus und fahre den Circuito Chico – eine 20 km lange Rundtour außerhalb Bariloches (insgesamt dann doch immerhin 54 km) vorbei an Stränden, Aussichtspunkten, Minibrauereien und Wäldern.

Die Stadt selbst ist sehr touristisch und vor allem die außerhalb liegenden Siedlungen überzeugen mit alpenländlicher Architektur, Wanderwegen und Stränden am kalten See. Nach zwei Tagen treffen wir drei Bärtigen uns wieder auf dem Campingplatz „Selva Negra“ und besteigen den Cerro Bella Vista – 2 h geht es steile 1000 Höhenmeter bergauf (auf 1700 Meter). Der Lohn ist ein umwerfender 360° Blick auf umliegende Berge, die Stadt, den See. Wunderbar! Am 3.2. nehme ich schließlich Abschied von den liebgewonnenen Engländern. Die Jungs fahren weiter nach Norden zur 7-Seen-Route (die ich erst Ende Februar fahre) und ich nehme am nächsten Morgen das Flugzeug nach El Calafate. Zuvor gab es noch ein Wiedersehen mit Andreas  – wie verabredet am 2.Februar um 19 Uhr an der Touristinfo. Ihm erging es wohl gut. Nach ein paar Getränken und leckerem Burger verabschieden wir uns endgültig. Fritz wartet derweil in einem Hostel auf Ersatzteile – nach 3100 km wollen Kette, die Kassette und das zweite Kettenblatt ausgetauscht werden – zuletzt rutschte die Kette auf Grund der verschlissenen Teile erheblich und es blieben „nur“ die Gänge auf dem ersten und dritten Blatt – genug um nach Bariloche zu kommen, auf Dauer aber kein Zustand. Ende Februar werden die sehnlichst erwarteten Ersatzteile dann endlich montiert.