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November 2017 – Buenos Aires

Zurück in Buenos Aires buche ich erstmal eine Woche Sprachkurs – zumindest ein bisschen mehr Grundwortschatz hoffe ich so zu erlernen, bevor es losgeht. Tito, Julietas Zapatero (Schuhmacher) des Vertrauens, klebt meine Wanderschuhsohle innerhalb eines Tages für wenig Geld und freut sich über seinen ersten Kunden aus dem Land Michael Schumachers.
Nun gilt es noch die nächsten potentiellen Gastgeber entlang der Route anzuschreiben, Gaskartuschen (check), Sonnenbrille (check), Kameratasche, Sandalen und Vorräte zu besorgen sowie den Bus nach Süden zu buchen. Wahrscheinlich muss ich das Rad für den Transport zerlegen (Lenker quer, Pedale ab, Räder und Lowrider/den vorderen Gepäckträger runter). Ich hoffe, Folie reicht als Verpackung aus und ich bekomme alle Radtaschen mit in den Bus. Informationen dazu findet man kaum, also probiere ich es einfach so.
So wie es aktuell aussieht, überspringe ich den geplanten Stopp an der Peninsula Valdes (bzw. Puerto Madryn mit Walen, Pinguinen, Seeelefanten) und versuche direkt nach Comodoro Rivadavia oder sogar Rio Gallegos zu kommen – mehrere hundert Kilometer weiter südlich, um dort auf´s Rad zu steigen. Anderenfalls müsste ich das Rad noch mehrmals zusammen und auseinander bauen, um auf die Halbinsel und von dort weiter zu kommen. Wale und Pinguine sah ich zudem schon in Neuseeland und ich möchte nicht nur Häkchen auf meiner Liste machen.
Wenn ich Weihnachten/Neujahr in Ushuaia sein will, sollte ich schließlich Anfang Dezember in Rivadavia starten – ich rechne nach bisherigen Beschreibungen und bei befürchtetem wechselndem Wind sicherheitshalber mit nur 400 km je Woche. Bei gleicher Geschwindigkeit schaffe ich es dann auch bis Anfang Februar sicher nach El Calafate.

In der Zwischenzeit will ich noch ein bisschen vom Jazzfestival mitbekommen, Palermo und einige Stadtparks ansehen – Puerto Madero, das frühere Hafengebiet habe ich nun schon gesehen – dort gibt es wie in Hamburg mittlerweile teure Wohn- und Bürogebäude (bzw. -türme) aber zumindest auch ein frei zugängliches Naturreservat (Reserva Ecológica), Sportflächen und eine Promenade mit vielen Buden. In San Telmo war heute „Buenos Aires Market“ mit StreetFoodTrucks, Kunst und Krempel im Park. Sehr gut auch das Eis – wahlweise in normalen Größen für 1-2 EUR, als 1/4 Kilo (2,50 EUR), 1/2 Kilo (4 EUR) oder Kilo /7,50 EUR) im Eisgeschäft des Vertrauens zu bekommen – oder man kennt die Eigentümer, wie Julietta und zahlt nur die Hälfte. Wahnsinnig lecker! Gibt´s jedoch nicht jeden Tag.

Aber ich merke, es wird Zeit auf´s Rad zu steigen – diese immer laute und wuselige Stadt (allein gestern: Jazzfestival, Gay Pride Parade, Straßenmärkte, in Unterwäsche tanzende Boybands auf der Promenade) … mit ihren Häuserschluchten erschlägt einen! So wunderschön manch Haus im Kolonialstil ist, so bedrückend sind die krassen Gegensätze mit Glas und Stahl, Architektursünden aber auch die Buden in den Armenvierteln. Schwerer als erwartet ist es an Cash zu kommen bzw. zu bezahlen – der Kreditkarteneinsatz in Geschäften ist oft auf Debit-Karten beschränkt, beim Abheben am Geldautomaten werden immer 105 Pesos (~5 EUR) Gebühr fällig und höchstens 2000 Pesos/100 EUR können auf einmal abgehoben werden. Meine tarjeta de credito bringt mir also wenig, da die Gebühren von den Banken vorgegeben werden. Bleibt noch der Geldwechsel an offiziellen und weniger offiziellen Stellen (Av. Florida – dort wird einem offen der Tausch zum minimal besseren Kurs (1:20,65 statt zu 20,20) angeboten – insbesondere, wenn man nicht sonderlich südamerikanisch aussieht. Die Zeiten des „DollarBlue“ mit deutlich besserem Wechselkurs sind jedoch vorbei. Nach der Herkunft des so offensichtlich gewaschenen Geldes fragt man besser nicht.
Ein paar Tipps erhielt ich heute noch von einem Radtourero, den ich auf der Straße traf und Ansprach – wie schon erfahren, kommt man in Argentinien wohl kaum an „Benzina“ – also Reinbenzin für den Kocher ran. Er fand auf seiner ganzen Tour von Brasilien bis Bariloche nichts. Bleiben mir also Gas (ein Butan/Propangemisch für knapp 2 Wochen habe ich in Kartuschenform dabei) und sonst nur NAFTA, das bleifreie (hoffentlich) Autobenzin. Die entsprechende Flasche für 400ml ist sowieso im Gepäck. Auf Diesel (in Argentinien „Gazolina“) will ich ungern zurückgreifen. Auch was die Wahl der Busfirma und einiges anderes angeht erhielt ich wertvolle Tipps. Auf der Fahrt nach Iguazu sah ich noch einen einsamen Pedallero auf der Fernstraße – ich bin also nicht allein 🙂

Gerade sitze ich in Palermo im Straßencafé und lade die vorgeschriebenen Texte hoch – ob es mit Bildern klappt ist bei der Verbindung fraglich. Zuvor konnte ich immerhin Sonnenbrille, Sandalen und Gaskartuschen besorgen. Im Parkhaus des Shoppingcenters kurzer Schockmoment: Fritz parkte ich extra im bewachten und eingezäunten Parkabteil für Fahr- und Motorräder – inkl. Aufnahme von Namen und Passnummer durch den Wachmann. Bei meiner Rückkehr war Fritz trotz zweier Schlösser nicht mehr da. Ein zweites Radparkdeck gab es nicht, der Wachmann nickte beim Anblick eines Fotos von Fritz, jedoch verstand ich nicht weiter. Beim zweiten Wachmann konnte dann mit Hilfe von googletranslate und einer Führung durch die Katakomben aufgeklärt werden: Fritz wurde sichergestellt, weil er zwar an sich angeschlossen, nicht jedoch an einem der Radständer gesichert war. Überglücklich nahm ich das Rad nach 20 Minuten Schweißausbruch wieder in Empfang. Argentinien scheint ZU sicher für mich zu sein 🙂

Super übrigens die Radwege / Bicisendas, soweit vorhanden: in beide Richtungen befahrbar, baulich getrennt und dennoch im Sichtfeld der Autofahrer. Mit Links vor Rechts und einhalten der Spuren gibt es ein paar Probleme – also gilt es zügig und dennoch defensiv zu fahren. Auf Einbahnstraßen (gern mal mit 6 Spuren) wie Kutschen und die Mülltrolleys (von Hand gezogene Rikschas/Karren für Karton) und alle anderen langsamen Teilnehmer links, bei Straßen mit Gegenverkehr rechts mit Abbiegen über den Zebrastreifen. Auch die OSMand-Navigationsapp findet die Bicisendas – funktioniert wunderbar.

Heute (20.11.) übrigens richtiger Regen und das nicht zu knapp… Die Tankstelle mit WiFi ist zum Glück nur 50 Meter entfernt, kann atmosphärisch mit Jazz, Schwanensee und anderen Klängen auf dem Hof des Wohnhauses (teils live aus den Wohnungen, teils vom Band) nicht ganz mithalten.

PS: Porto für einfache Postkarten: 85 Pesos – 4 EUR … dafür steht man aber immer schön in der Schlange, am Bus, bei der Post, in der Bank und auch beim Bäcker zieht man teilweise Wartenummern – wenn nur alles andere so geordnet und der Service entsprechend (schnell) wäre… Bienvenido a Manana-Land 🙂

 

PPS: 27.11. Letztes Update vor der Abfahrt – in der Tankstelle an der Ecke trifft man sich zum Fußballschauen oder Internetsurfen… morgen geht´s los 25 h Bus bis Comodoro Rivadavia – ab Buenos Aires ist das die Komplette Linie, ca. 1800 km. Aber immerhin im Cama-Bus – also mit Liegesessel. Fritz ist demontiert und eingepackt, wird hoffentlich vom Busfahrer pfleglich behandelt und überhaupt mitgenommen – so viel Platz ist in den Gepäckabteilen der Busse nicht. Am Busbahnhof wird er dann wieder zusammengebaut (Räder, Lowrider, Pedale, Lenker) und es sind Dienstagnachmittag nur 12 km bis Rada Tilly „dem südlichsten ausgebauten Seebad“ Argentiniens, des Kontinents, der Welt? Dort und einen Tag später in Caleta Olivia bleibe ich bei Warmshower/Couchsurfing-Hosts. Und danach … nicht viel. In Fitz Roy scheint es noch Tankstelle und Hostel zu geben. Danach folgen Tankstellen und Estancias in Tagesreisenabstand – sofern der Wind keinen Strich durch die Rechnung macht. Aktuell soll er laut Locals aus West / Südwest kommen – also schön von vorn. Schaun mer mal… soweit möglich melde ich mich bei der Familie per Kurznachricht, Blogeinträge wird´s aber wohl länger nicht geben können. Drückt die Daumen! Temperaturen scheinen am Anfang noch über 25 Grad zu sein (lt. Vorhersage), kein Regen, Wind um die 30 km/h, mal gucken, ob´s stimmt. Die Vorräte sind aufgestockt, Reis, Dosentuna, Suppenpulver, Haferflocken, Körner … „Steck mir Cracker in den Mund , Kling Klang, Fritz und ich, die Straße entlang. … Zwei Mal nach Feuerland bitte!“ (frei nach Keimzeit)

Statt ordentlichen Schlangen an Bushaltestellen und jeder Menge Verkehr werde ich dann hoffentlich wenigstens ein paar Autos pro Tag sehen. Wenn wegen Wind etc. gar nichts mehr geht – Daumen raus und hoffen, dass ein Pick-Up hält. Bevorzugt soll´s aber mit eigener Kraft gen Süden gehen. „Gooooooooooool“ – erklingt´s aus dem Fernseher … Zeit zu starten.