Auch wenn ich schon wieder 10 Tage im (deutschen) Lande bin, fühle ich mich verpflichtet dieses Blog noch zu Ende zu führen. Schliesslich war in Auckland noch nicht Schluß, zwei weitere Wochen lagen vor mir.
Es folgten zwei sehr nasse aber auch epische Wochen. Hier geht´s zum letzten Abschnitt der NZ-Tour: http://www.bikemap.net/route/1360880
14.12. Die Vorortbahn brachte mich zunächst von Auckland nach Waitakere – somit konnte ich zumindest die wildesten Kilometer des SH1 umgehen bzw. sparte mir den Stress mit meinem voll beladenen „Fritz“ zwischen den Autos umher zu hopsen. In einigen kurzen Etappen bahnte ich mir in den Folgetagen den Weg durch Regen, Gegenwind und den einen oder anderen Kuhstau auf den Nebenstrassen, SH 16 und 1. Sobald ich Manawhai Heads erreichte und das Ortsschild „Magic Mangawhai“ passierte änderten sich die Verhältnisse jedoch schlagartig – der Regen stoppte, die Sonne kam heraus und es boten sich traumhafte Aussichten auf das Küstenschutzgebiete, Strände und unglaublich teuer aussehende Villen in dieser überdimensionierten Feriensiedlung mit 1A-Surfstrand. Da ich für den nächsten Tag bereits meine Übernachtung mit Warmshowers-Gastgebern vereinbart hatte, nutzte ich die Gelegenheit am Morgen zunächst den örtlichen Küsten-/Cliffspaziergang zu unternehmen – ca. 60 m über der Brandung durch natives neuseeländisches Gehölz mit Blick auf Strände, Buchten und der Küste vorgelagerte Inseln – schön. Sobald ich wieder auf dem Rad saß und den Ort verließ setzte Nieseln ein – scheinbar ist Mangwhai tatsächlich magisch!
Der einzige ernsthaften Anstieg des Tages war trotz Baustelle und Split auf der Straße schnell geschafft und die Straße führte mich bis Waipu immer entlang der Küstenlinie – besonders schön, weil nun auch der neuseeländische Weihnachtsbaum, der Pohutukawa oder botanisch korrekt „Metrosideros excelsa“ blühte und der Regen der Vortage für weniger touristenverstopfte Straßen sorgte. In Waipu erwartete mich eine der bis dato interessantesten Warmshowers-Familie: Natürlich, was sonst, mit tollem Haus, direktem Zugang zum Fluß und mit den auf der Wiese liegenden Kajaks damit auch zum Meer, einer eigenen lokalen Radiostation, untergebracht im „Magic Caravan“ im Garten – Radio Waves, ungewöhnlich gefärbten Hühnern und einem neuseeländischen Wildschwein… Schließlich wurde ich kurzerhand zum Surfen eingeladen – oder in meinem Fall zum „vom Brett fallen bzw. erst gar nicht zum Stehen kommen“ – Spaß machte es trotzdem. Es folgte ein letzter kurzer Tag – gerade etwas mehr als 60 km inkl. Umweg zur Ölraffinerie und dem Tourist Drive, der leider doch nicht wie erhofft eine Alternative zum Highway sondern nur ein 18km langer Umweg war… bis Whangarei zum Vorräte aufstocken und abends schließlich ein nettes Konzert der Cover Band „Gravel Road“ im Irish Pub – Steffi, die ich bereits auf der Südinsel mehrmals zufällig traf lud mich dorthin ein. Unnötig zu erwähnen, dass ich am nächsten Morgen im strömenden Regen auf das Rad stieg. Einmal richtig nass ist einem das aber dann auch egal – gute Laune trieb mich die folgenden Tage auf relativ langen Etappen (je 105-120 km) via Kawakawa (mit Hundertwassertoiletten) nach Kerikeri. Hier treffe ich neben den unvermeidlichen deutschen Backpackern mal wieder jemanden, der Neuseeland durchläuft – ja, es geht noch bekloppter: Zu Fuß durch Neuseeland. Diesen Leuten gilt mein aufrichtiger Respekt – wie ich finde sind sie noch masochistischer als Radfahrer. Allein der langsame Fortschritt schreckt mich momentan von solchen Vorhaben ab. Von Kerikeri geht´s weiter nach Kaitaia wo mir im Hostel eine halbe Tafel Schokolade und die Hälfte meines restlichen Käses aus dem Kühlschrank entführt wurden und schließlich vorbei an Kauri-Lagerstätten (bereits vor Jahrzehnten geschlagenen oder auf natürliche Weise umgefallenen, jedoch im Schlamm konservierten bis zu 40.000 Jahre alte Stämme) zum Cape Reinga. Mit Rückenwind vergingen diese Tage recht flott. Auf den letzen 20 km zum nördlichsten Punkt meiner Reise begleiteten mich noch zwei Anatomiestudenten aus Dunedin, die es in 24 Radtagen (insgesamt ein Monat mit Rasttagen) von Bluff auf der Südinsel bis hierhin geschafft haben – allerdings wesentlich leichter bepackt als ich. Cape Reinga – der Ort an dem die Ahnen der Maoris, respektive deren Seelen in den Ozean gleiten um von hier, wo Tasmanisches Meer und Pazifik zusammenfließen, nach Hawaiki – dem heiligen Ursprungsort der Urahnen zurückzuschwimmen. Gleichzeitig quasi-Endpunkt meines einjährigen Projektes – ein toller, magischer, spiritueller Ort. Vor allem, weil wir die Räder bis zum Leuchtturm rollen können. Einige Leute (faule Touristen mit stinkigen Campervans 😉 gratulieren uns gar, andere schütteln ungläubig den Kopf, noch bevor Sie den Gesamtkilometerstand der bisherigen Reise erfahren. Es ist abend, Zeit für uns, zum Camp zu fahren – nur 3 km aber 250 Höhenmeter entfernt liegt der DOC-Campingplatz in einer idyllischen Bucht. Fast luxuriös mit Freiluftdusche – nach dem obligatorischen Bad im Meer, lila Quallen liessen mich das Planschen jedoch vorsichtshalber kurz halten. Da stört es nicht, dass die Dusche nur „kaltes“ Wasser abgibt – und ich dachte Neuseeländer wären harte Burschen. Ich genieße jedenfalls in vollen Zügen das frische Wasser und schaue während dessen der fast schon untergehenden onne nach. Sandflies gibt es gratis dazu, zwei Schweizer spendieren mir noch zwei Würste zu meiner Pasta, was will man mehr. Am nächsten Morgen nehmen eben diese Schweizer noch meine Satteltaschen mit und stellen diese wie vereinbart am ersten Campingplatz ab. Angesichts des steilen Rückwegs auf Split hinauf zur Hauptstraße eine weise Entscheidung. Trieb mich der Südostwind in den letzten Tagen noch kräftig an, so habe ich diesen von nun an stets in meinem Gesicht und zwar nicht zu knapp. Selbst auf langen Abfahrten erreiche ich so nicht mehr als 35 km/h – wenn ich voll in die Pedale trete. Dabei wird der Wind ab Mittag erst richtig stark. Bevor ich mein Gepäck wieder auflade besuche ich noch die Riesendünen bei Te Paki – ca. 30-40 m hoch vermitteln diese einem das Gefühl mitten in der Wüste zu stehen, fehlen nur noch die Kamele. Leider bin ich zu zeitig dort – erst ab 10.30 Uhr kommt der findige Geschäftsmann dorthin, der Boogy-Boards verleiht, mit denen man die Sandhänge hinuntersurfen kann – auf der anderen Seite habe ich so Millionen Tonnen von Sand fast für mich allein. Zu dieser Zeit bin ich jedoch schon wieder an der nächsten Station, bestaune ein futuristisch aussehendes Solarrennfahrzeug – http://www.solarfern.com/ und mache mich schließlich auf den Weg gen Süden. Wer glaubt, hier dominiere flaches Land irrt sich gewaltig – gerade die letzten Kilometer vor bzw. nach Cape Reinga sind sehr wellig mit Anstiegen bis zu 150 Höhenmetern.
Wind, Sonne und die nun doch sehr abgefahrenen Zahnkränze des Rades fordern ihren Tribut – einige für dieses Terrain wichtige Gänge sind schon nicht mehr zu gebrauchen, die Spannung ist nach dem Erreichen Cape Reingas irgendwie raus. Auch ein Rieseneis zum Mittag motiviert mich nur bedingt zum Weiterfahren. In Pukenui habe ich schließlich die Schnauze voll – Abbruch des Tages, Wäsche waschen, ausruhen, reflektieren und dem stürmischen Wind lauschen sind angesagt. Um so besser wird der nächste Tag mein wirklich letzter Tourentag – nach Kaitaia sind es gerade noch 50 km, dennoch beginne ich relativ zeitig den Tag und finde den Abzweig vom Highway zum 90Miles Beach – wie in jedem Reiseführer nachzulesen, tatsächlich nur rund 90km lang. Dennoch – selbst bei Flut 30 m breit ist dieser Strand einfach der Wahnsinn. Als ich dort ankam setzte die Ebbe gerade ein – mit der Zeit wurde der Strand also immer breiter, der Untergrund immer fester. Nur zu Beginn des 20km langen Abschnitts den ich zwischen zwei Zufahrten befuhr stieß ich ab und an auf weichere Stellen, die das Rad schlingern bzw. festfahren liessen. Abgesehen davon war der Sand jedoch so kompakt verdichtet, dass man wie auf einem unbefestigten Weg locker mit 20-25 km/h parallel zur Wasserlinie fahren konnte. Neben einigen Wanderern begegneten mir nur wenige PKW und Tourbusse, die ordnungsgemäß auf der richtigen Seite fuhren und sich offenbar auch an das Tempolimit (100 km/h! Strände gehören in NZ zum Highway-Netzwerk) hielten. Eitel Sonnenschein, die Weiten des Strandes und die Seeluft zauberten mir ein Dauergrinsen ins Gesicht. Fast übermütig entledigte ich mich meines Helmes und cruiste bestens gelaunt am Strand entlang – einen besseren Abschluß konnte diese Tour nicht finden. Hinzu kamen zig angespülte Muscheln und sogar überreste zweier (Katzen-?)Haie – Auge in Auge mit einem Hai 🙂
Von Kaitaia aus reiste ich schließlich am nächsten Tag mit dem Bus nach Mata zur Milchfarm, auf der Steffi beim Bassisten von Gravel Road für Unterkunft und Verpflegung arbeitete. Am Rande des Konzertes eine Woche zuvor wurde ich für die Weihnachtstage eingeladen – ansonsten wäre ich an den Weihnachtstagen wohl soweit gefahren, bis mich ein freundlicher Kiwi zu sich eingeladen hätte 🙂 So konnte ich jedoch mein Zelt im Garten aufschlagen, half ein wenig beim Melken, kochte einige Male, kümmerte mich um den Abwasch und kam so doch noch zu meinem Kiwi-Weihnachten – mit Brunch, gegrillten Bananen mit Speck und French Toast / Arme Ritter sowie Bescherung am Morgen des 25.12. (am 24.12. wird in NZ nicht gefeiert) gefolgt von einer Grillparty mit Freunden, Gummistiefelzielwerfen und Lagerfeuer am Abend bei Gitarre und Gesang (der musikalischen Familie und Freunde) und angenehmen 20 Grad.
Boxing Day – am 26.12. verabschiedete ich mich schließlich um mit dem Bus nach Auckland zu fahren, dort die nachweihnachtlichen Rabatte auszunutzen, letzte Poste Restante abzuholen und meine Ausrüstung einzupacken. Während ich diese am 27. per Post auf den Heimweg schickte, sollte mein Rad erst am 28., Tag des Rückfluges für das Flugzeug verpackt werden. Am Ende wurde es doch nochmal spannend: Die Sattelstütze konnte erst nach Einspannung des Rades in eine Klemme der Fahrradwerkstatt und mit Kraft zweier Mechaniker gelöst werden – insgesamt dauerte das fachgerechte Verpacken somit drei statt wie erwartet eine Stunde. Somit musste ich das Flughafen-Shuttle direkt zum Radladen umbestellen, von dort ging´s zum Hostel um das restliche Gepäck einzusammeln und weiter zum Flughafen. Letztlich ging alles gut und die Rückreise konnte beginnen. Der kleine Stress lenkte mich auch vom Abschied ab – wehmütige Gedanken blieben mir also weitgehend erspart.
28.12. ca. 19.00 Der A 380 mit Fritz im Laderaum und mir in der hintersten Reihe hebt recht pünktlich ab. In Sydney halten wir zum Auftanken – ich muss das Flugzeug verlassen, werde nochmals durchleuchtet, büße mein (stumpfes) Kellnermesser und Zahnpasta ein, die am Flughafen Auckland nicht im Handgepäck beanstandet wurden und setze mich schließlich wieder auf den gleichen Platz um dort für die restlichen 20 Stunden Flug nach Dubai zu verweilen. Wir fliegen mit der Nacht – ein wenig Schlaf, das Essen schmeckt, das Entertainment-Programm, hauptsächlich aus Filmen und Musik bestehend unterhält mich. In Dubai holt mich die bundesdeutsche Realität ein – im Terminal werde ich mit Sonnen-/All-Inclusive-/Partyurlaubern konfrontiert, Menschen sind weniger geduldig und entspannt, Worte wie „unerhört“ und „nach Bürgerlichem Gesetzbuch“ fliegen durch die Luft – Deutschland muss nah sein und wirft schreckliche Schatten voraus – zum Glück weiß niemand, dass ich dazu gehöre, im Zweifelsfall gebe ich einfach wieder vor Pole zu sein – klappte in so manchem Hostel schließlich auch, wenn ich versuchte Deutschen aus dem Weg zu gehen.
Schließlich lande ich in Hamburg nehme mein Gepäck in Empfang und trete hinaus: 5 Grad, 20 Grad Temperaturunterschied, dennoch ist meine hochgekrempelte Sommerhose warm genug, ein Obdachloser am Bahnhof versichert mir kopfschüttelnd „Der nächste Frühling kommt bestimmt, wa?!“ – Spießer! Letzter Akt der Reise: Ich schummle den Radkarton in einen ICE – ziviler Ungehorsam, sind dort doch keine Fahrräder erlaubt. In der Gewissheit, dass der nächste Halt erst Berlin Hbf ist gehe ich das Risiko jedoch ein – die Wahrscheinlichkeit, dass der Zug angehalten und ich auf freier Strecke herausgeschmissen werde ich dann doch zu gering…
29.12. 17:30 Uhr Ortszeit – Berlin Hauptbahnhof – Jan, Niklas und Anne nehmen mich in Empfang – ick bin wieder daheim