Author Archives: marc

(Vorerst) zurück

Lange wurde der Blog nicht gefüttert – einige wenige Bilder aus dem Eco-Camp fehlen noch, aber vor allem wohl diese Info: Ich bin wieder in Greifswald gelandet – Anfang Juni ging der Flieger von Jujuy via Iguacu und Sao Paolo nach Frankfurt und von dort führte der Weg per Bahn über Berlin nach Greifswald. Bis Juli kümmere ich mich nochmal um meine „alten“ Lieblingsprojekte – den Eldenaer Klostermarkt sowie die Eldenaer Jazz Evenings – beide in der Klosterruine Eldena, Greifswald.

Danach?! Endlich mal Urlaub, eine kleine Deutschlandtour, Schweden und dann mal schauen…

Irgendwann jedoch geht es sicher zurück nach Südamerika – Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien – einige Straßen, Berge, Hochebenen wollen noch erkundet werden – in einigen Jahren, beim nächsten Trip mit Fritz.

22.03. – 15.04. in den äußersten Norden Argentiniens

San Juan verlasse ich anfänglich mit Rückenwind und nun 9 Liter Wasser am Rad – die nächsten Etappen werden dünn besiedelt sein und es wird definitiv nicht kühler. Die leichte, aber anhaltende Steigung ist fast nur am Tacho sichtbar: Statt mit bei diesem Wind auf flacher Strecke einfach erreichbaren 30 km/h fahre ich „nur“ noch mit 17-20 km/h hinauf. Auf eine immerhin 5 km lange Abfahrt folgt eine endlose Gerade – endlos heißt, einige dutzend Kilometer. Am Wegesrand eine Fata Morgana: Liegen da tatsächlich einige Multipacks mit kleinen Limonadenflaschen im Sand? Ja, originalverschlossen, unbeschädigt mit Geschmack Apfel oder Zitrone. 3, 2, 1… meins! Für folgende Dürstlinge ist noch mehr als genug da, ich fülle lediglich die bisher verbrauchten 2 Liter auf. Darauf folgt … noch mehr gerade Strecke, immer entlang der längst kaputten, unterspülten Bahnlinie. Den einzigen Schatten spenden einige teils überdachte Rastplätze, ein Mal gar mit Grill, Ofen, Bänken und Strom neben einem Außenposten der Straßenwacht und die verschiedenen Gedenk- bzw. Andachtstätten, die ab und an unter seltenen Bäumen angelegt wurden. Auf diesem Abschnitt befindet sich auch der Abzweig zur eigentlichen Correa Diffunta, dem Ort, an dem der Legende nach die verdurstete Mutter mit überlebendem Kind an der Brust gefunden wurde. Bald, zu Ostern, wird diese Minisiedlung wohl von mehreren zehntausend Menschen überflutet, die die heiligen Stätten besuchen. 40 km ab von der Hauptstrecke – muss ich mir nicht angucken. Die alten Bahnhöfe entlang der Route haben allesamt kein Dach mehr, böten sich aber zur Not auch als windgeschützter Übernachtungsort an. Nach 150 km erreiche ich endlich den schön, direkt am Fels gelegenen Campingplatz in Jachal – wahrlich eine Oase mit kleinem Fluß, Schatten, kühlen Getränken, Bungalows. Am nächsten Morgen werde ich im nächsten Ort erst vom lokalen „Karl Kolumna“ (kommt stilecht auf dem Moped) interviewed (inkl. Livestream auf Facebook), will dann mehr Luftdruck auf die Reifen bekommen und verzweifle am defekten Kompressor. Am Ende pumpe ich den Vorderreifen wieder per Hand auf.

Durch irre Felsen geht es auf und ab, vorbei am Ort Huarco mit vier Fahrspuren aber ohne Menschen auf der Straße (geschweige denn Autos). Nur hier sehe ich tatsächlich eine der alten (Wasser)Mühlen, derer es auf dieser Strecke doch so viele geben soll. Es ist heiß, bald führt der Mittelstreifen nur noch geradeaus, Kakteen häufen sich, alle 250 m ein Strommast, ein paar Papageien, nicht viel mehr. Der Wind … kommt natürlich nicht von hinten und schiebt, das wäre ungewöhnlich und schlicht zu einfach. An diesem Tag wechselt die Tachoanzeige auf 5.000 km – eine schöne Zahl., nicht mehr Am Eingang des Ischiguasto Nationalparks darf ich nach 109 km leider weder campen, noch beim Parkwächter übernachten – obwohl das Haus riesig ist und kein Campingplatz in erreichbarer Nähe ist. Zumindest die Wasserflaschen kann ich auffüllen, gucke mir das Dino-Skelett an und fahre weiter – ein paar Kilometer weiter sind bei iOverlander Wildcampingplätze eingezeichnet, einer davon noch vor der nächsten großen Steigung. Tatsächlich finde ich den Aussichtspunkt mit großem Parkplatz und potentiell windschützenden halbhoher Mauer. Hier kann man bleiben. Heringe lassen sich zwar nicht in den steinernen Parkplatzboden stecken, aber gegenüber lockt neben dem Asphalt eine kleine Anhöhe. Nach dem Abendbrot steht bald das Zelt und ich habe das Tal bis zum Morgen für mich allein.

Als nächstes steht ein schöner Anstieg hinauf zum Besucherzentrum des Mondtals an – hier dröhnt laute Musik aus Boxen, Arbeiter werkeln am derzeit geschlossenen Campingbereich, eine Ausstellung zeigt Knochenfunde und informiert zur geologischen Stätte und deren Bedeutung, Dinosaurierfunden und mehr. Der Wind tost, die 35 km bergauf hierher waren schon ein Krampf, trotz tollem Panorama. Angeboten werden Radtouren durch´s Tal (fällt aus bei dem Wind) und die Fahrt im eigenen Auto, einem Parkwächter hinterher. 3 Stunden, 40 km – um 14 Uhr würde es losgehen. Bei 250 Pesos Parkeintritt und weiteren 200 Pesos für die Tour (für die mir zudem noch die Mitfahrgelegenheit fehlt) kneife ich mir auch diesen Spaß, schließlich sind es bis zur nächsten Siedlung mit etwaiger Übernachtungsmöglichkeit nochmal 30 oder mehr Kilometer gegen den Wind. Die Sonne geht mittlerweile vor 20 Uhr unter. Nach der Rast also zurück auf´s Rad – im ersten Ort wird mir das einzig noch verfügbare Zimmer vor der Nase weggeschnappt. Windschutz zum Zelten gibt es nicht, also weiter – es soll nach 20 km noch ein Hotel kommen – mit Preisen ab 70 EUR (ungefähr mein Wochenbudget für Übernachtungen, wenn ich nicht wild campe) fällt aber auch diese Option aus. Soll es wieder eine Bushaltestelle werden? Immerhin sind die hier massiv, aus Stein, stehen meist an Einfahrten zu Estancias, sind groß genug und verfügen über eine Bank für die Isomatte… Letztlich darf ich aber doch neben einem Bistro unweit des Hotels mein Zelt aufschlagen, habe ein Waschbecken und den ersten Platten: Scheinbar war die Zufahrt zu meinem Zeltplatz mit Dornen verseucht. Zum Sonnenuntergang ist der Reifen wieder rund und ich kann kochen, gleich darauf, ab ins Zelt. Ich hätte wunderbar schlafen können, hätten nicht gleich drei Hunde in unmittelbarer Nähe die ganze Nacht durch gebellt, wären über meine Zeltleinen gestolpert und hätten auch noch ans Zelt gepisst. Das Blenden mit der Kopflampe und Lärm machen schafft nur kurz Abhilfe, Oropax helfen nicht, am Ende kann ich nur Dank MP3-Player einschlafen und wache ziemlich gerädert gegen halb sieben auf. Noch dazu lässt die Isomatte seit ein paar Tagen Luft. Nicht gerade die besten Voraussetzungen um am nächsten Tag eine lange Etappe zu bestreiten. Und doch: Glatte 150 km sollen es am Ende des Tages sein.

Frühstück im Freien zum Sonnenaufgang bei 5 Grad, 18 Grad gegen 11 und 32 Grad am frühen Nachmittag. Das eigentliche Tagesziel bietet nach 75 km nichts außer Staub, einem geschlossenen Hostal, einer Tankstelle und viel Wind. Außerdem ist es erst Mittags, also will ich weiter nach La Rioja. Unterwegs hält ein Trucker und schenkt mir Obst, freundliches Gehupe und Gewinke begleiten mich durch die öde Strauchpampa. Das richtige Bett im Hostel erscheint mir verdient. Victoria, meine Couchsurferin kann leider kurzfristig nicht hosten, unterhält mich die nächsten Pausentage aber bestens: Es gibt Eis, Mate, Abendessen in der Eckkneipe, Ausflüge mit dem Auto in die Umgebung, eine flotte Wanderung mehr oder minder im Flußbett hinauf zum Wasserfall. Im hosteleigenen Pool finde ich auch das Loch der Isomatte und kann es flicken – bei weiterhin über 30 Grad ist sonst aber Müßiggang angesagt. Ach ja, es ist Ostern, in den Geschäften gibt es sogar Schokoeier, im Hostelofen das nächste Pan Aleman und im Bioladen (der erste mit zertifizierten Produkten) stocke ich wie in allen großen Städten Vorräte auf: getrocknete Tomaten, Samen, Haferflocken, Sojageschnetzeltes und was sonst noch interessant erscheint, leicht und nahhaft ist.

Nach drei Tagen verlasse ich La Rioja. Auffallend ist neben dem Wechsel der angebauten Pflanzen (statt Wein sind dies mittlerweile Oliven, Mais, Tabak) die zunehmende Anzahl einspuriger Gefährte: Die Leute fahren vermehrt Moped, Motorrad oder Fahrrad – jedoch ohne Gepäck – und größere Gauchogruppen traben mir entgegen, mal mit, mal ohne Rind und/oder Kind hinter bzw. auf dem Gaul. Bei 36 Grad (am Rahmen gemessene 43) erreiche ich nach 162 km und neun getrunkenen Litern Wasser (jeweils bisheriger Höchstwert) am Abend San Fernando de Catamarca und beziehe meine nächste „Couch“ – ein eigenes Zimmer inklusive liebenswertem Golden Retriever, entspannter Katze und wundervoller Gastgeberin. Cecilia empfängt mich herzlich, ich bekomme ein paar Spanischlektionen, revanchiere mich mit Massagen für den Hund, Brot und Salat. Am Folgetag, dem 1. April passiert das Unfassbare: Es regnet aus Kübeln, das Thermometer zeigt nur noch 20 Grad – was für schöner, lang ersehnter Anblick (vor allem vom gemütlichen Wohnzimmer aus). In den nächsten Tagen geht es mit Etappen zwischen 85 und 150 km weiter nach Termas de Rio Hondo – eigentlich ein Umweg auf dem Weg nach Norden, aber ich habe ja Zeit und will endlich die Füße in warmes Thermalwasser stecken. Unterwegs campe ich mit Erlaubnis des diensthabenden Arztes hinter dem Gemeinde-/Gesundheitszentrum von Rumi Punco. Unterwegs bekomme ich eine Avocado geschenkt und der Polizist an der Provinzgrenze pfeift mich nochmal zurück – nur um ein bisschen zu Plauschen, die üblichen Fragen: Woher, wohin, wie lange, alleine? Wo schläfst du, pass´ auf dich auf … „Bon Viaje, Suerte und Adios“ – und es ist wieder bullenheiß.

Ein bekanntes Buchungsportal beschert mir am nächsten Tag ein Schnäppchen: In Termas de Rio Hondo checke ich im „Grand Hotel“ ein und genieße nach knapp 150 km bis zum Sonnenuntergang den Thermalpool auf der Dachterasse sowie mein Doppelzimmer mit Balkon und improvisiertem Abendbrot. Das staubige Rad in die Lobby zu schieben und mich verschwitzt am Tresen dem ungläubigem Portier als Gast mit Reservierung vorzustellen war ein besonderer Spaß und für die Angestellten sicher ein seltener Anblick. Wenig später fand sich Fritz aber wohl behütet in der hoteleigenen Tiefgarage wieder. Das Frühstück am nächsten Tag mit richtigem, also großem, Buffet bestehend aus Wurst, Käse, Obst (und das in Argentinien!), Müsli, Säften, Gebäck, Eulen und anderem aus Melonen und Ananas nachgebautem Getier als Dekoration toppt alles. Am Wochenende findet hier wohl eine Moto-GP-Veranstaltung statt – ein Grund für mich, nicht länger zu bleiben. Einziger Wermutstropfen: Auf dem Weg in den Ort (17.000 Einwohner und mindestens genauso viele Gästebetten zzgl. Campingplätzen, oftmals mit eigenem Thermalpool) hörte ich schon nach 60 km ein merkwürdiges Schleifgeräusch am Rad, dass sich kurz darauf als Felgenriss herausstellte. Die Strecke war flach, ohne viel Verkehr, also konnte ich die Hinterbremse ausspannen, um den weiteren Verschleiß zu verringern. Am nächsten Tag, auf dem Weg nach Tucuman, wird die Beule an der Felge jedoch noch größer – wie weit geht das noch gut? Nach 40 km entschließe ich mich abzusteigen und nach San Miguel de Tucuman zu trampen, bevor mir noch der Hinterreifen platzt und auch der Mantel kaputt geht – genau dies passierte auch in Neuseeland an der Westküste der Südinsel. In zwei Etappen (20 km auf der Ladefläche, die nächsten 30 km im Innenraum) nimmt mich ein Zuckerrohr- und Zitronenbauer nach einigem Warten mit – seine Mittagspause zuhause überbrücke ich mit einem Nickerchen im Straßengraben. Normalerweise lade ich Fritz beim Hitchbiken komplett ab – mit Wasser und Gepäck sind die 60 kg eigentlich nicht zu heben. Anders heute: Der Mann hat überschüssige Kräfte und zusammen wuchten wir das Rad samt Taschen auf den Transporter. In Tucuman zeigt mir der nette Typ noch einige Radläden, gibt mir seine Nummer, falls ich noch was brauche und setzt mich direkt vor der Tür meines nächsten Couchsurfers ab. Mein Gastgeber heute: Anwalt, Gestalt-Therapeut und einiges mehr mit Putzfrau und Personal Trainer und noch dazu super nett, weitgereist und Eisliebhaber – Jackpot! Auch hier sorgt selbstgemachtes Brot und Curry zum Abend nahezu für Liebesbekundungen.

Noch am ersten Abend geben wir Fritz in Reparatur, schon am nächsten Mittag hat er seine neue, hoffentlich stabile Felge einer einheimischen Marke und neue Bremsen. Als Ursache des Risses vermute ich übrigens klassisches Durchbremsen mit leicht überhöhtem Luftdruck (5 bar – für den Mantel okay, die Felge verträgt aber nur 4,5 bar, wie ich jetzt auch auf dem Aufkleber sehe).

Beim Verlassen Tucumans komme ich an Straßenhändlern mit lebenden Ferkeln (im Einkaufswagen gehalten) neben bereits geschlachteten Artgenossen vorbei. Es geht heute wieder Richtung Westen, das Tal rund um Tafi del Valle soll wunderschön sein und so gilt es, nochmals die Bergkette zu queren. Auch das ein Umweg, alternativ könnte ich Salta in zwei oder drei Tagen auf direktem Weg erreichen. Der Gegenwind bleibt mein treuer Begleiter. Erst um 13 Uhr fahre ich nach ausgiebigem Frühstück und Regenschauern am Morgen aus Tucuman los und steige nach 65 km am Straßenwachtposten vom Rad. Eigentlich wollte ich nur fragen, ob ich gegenüber im regenwaldbewachsenem Tal am Rastplatz campen dürfte, der alte Herr bittet mich jedoch gleich auf den Bauhof, bietet mir ein leeres Zimmer für mein Zelt bzw. die Isomatte, eine warme Dusche und sogar die Nutzung der einfachen Küche an, als mein Campingkocher versagt – zum Sonnenuntergang teilen wir Erdnüsse und gucken den Hühnern dabei zu, wie sie den Baum hochklettern. Irgendwie romantisch, oder? Tagsüber kümmert er sich um die nahen Rastplätze, sammelt etwas Müll, der leider zu oft liegen gelassen oder aus den Autofenstern geworfen wird – aber was macht man hier sonst den ganzen Tag außer am nahen Fluß zu kontemplieren oder Autos zuzuwinken? Offensichtlich freut er sich ein bisschen über die Gesellschaft, auch wenn diese ähnlich wortkarg wie sein Hund ist.

Weiter Richtung Tafi del Valle – dem Urlaubsort der Region in den Bergen. Ab 1700 m weichen die üppige Vegetation und die tief hängenden Wolken einer Hochebene mit See. Nach Tafi komme ich heute nicht mehr – durch die Provinzralleymeisterschaften ist die Zufahrtsstraße länger gesperrt und ich checke im ländlichen Hostel einer Französin ein – mit Blick auf See, Berge und Pferde. Außer aus dem ganzen Tal zusammengetragenen Monolithen, sogenannten Menhires gab es im einzigen Ort des Tages nichts zu sehen, aber immerhin hausgemachte Salami und Gemüse vom Straßenrand. Die Landschaft fetzt aber auch so.

In Tafi versorge ich mich nochmal mit ein paar Lebensmitteln, an der einzigen Bank stehen die Leute wie schon in Tucuman bis um die Ecke Schlange, spätestens in Cafayate brauche ich wieder Bargeld, sonst wird’s eng. Statt erhofftem Rückenwind erwartet mich heftiger Gegenwind, die Straße geht steil bergauf – knapp über 1300 Höhenmeter und 35 km sind es zum Pass auf 3050 m. Mit Tempo 8 km/h krieche ich mehr, als dass ich den Berg hoch fahre. Nach 3 Stunden habe ich die Schnauze voll – bis Cafayate sind es noch über 100 weitere Kilometer. Zumindest zum Pass will ich trampen, wobei ich weiterfahre und probiere, überholende Pick-Ups zum Halten zu animieren. Ausgerechnet ein mit fünfköpfiger Familie vollbesetzter Wagen hält. Auch die Ladefläche ist mit Gepäck voll und abgedeckt. Dennoch darf ich mitfahren, obwohl ich mit Blick auf die Beladung schon abwinkte: Die jungen Töchter werden auf der Rückbank zusammengeschoben und teilen diese mit dem älteren Bruder und der Mutter – ich darf vorn sitzen. Fritz wird, wieder ohne abgeladen zu werden, noch auf der Ladefläche verzurrt. Bis ins nächste Dorf soll ich mitfahren – und damit fast schon bis zur Ruta 40. Super. Auf der Passhöhe hat selbst das moderne Auto ein bisschen an Zugkraft verloren – zu wenig Luft. Hinter dem Pass ändert sich die Szenerie schlagartig: Diese Bergseite ist total arid, überall stehen Kakteen und der Wind bläst noch immer kräftig von vorn. Ich bin froh über die Mitfahrgelegenheit. Im Ort gönne ich mir Pizza an der Tankstelle und fahre gerade weiter, um die letzten 60 km nach Cafayate zu überwinden, als mich wieder ein weißer Pick-Up überholt und hält: Die Familie fährt auch nach Cafayate und macht aus dem Angebot, mich nach dem Mittag weiter mitzunehmen Ernst. Bei Gegenwind, verbrannten Armen vom Vortag und über 30 Grad muss ich nicht lange überlegen. Nach einem Abstecher zu den (stark restaurierten) Ruinen von Quilmes erreichen wir Cafayate – die Weinstadt.

 

Auch hier kostet das Bett nicht viel mehr, als im Zelt zu übernachten – also wähle ich ein nettes Hostel mit Garten und Weinreben. Bei der Hitze und den ganzen Moskitos lässt es sich jedoch kaum schlafen. Alle Versuche, den Brenner wieder fit zu kriegen scheitern ebenso: Die Düse ist verstopft, sitzt fest und schließlich bricht mir auch noch die Schraube am Druckregulierer – schöner Mist, ich hatte ab jetzt mal ´nen Brenner. In Jujuy muss dann wohl Ersatz her. Nett hingegen ist die Begegnung mit Eric und Elli – einem französisch-deutschem Paar, Mitte 50, dass durch die USA und Mexiko per Rad fuhr und nun einige Monate mit Rucksack in Südamerika unterwegs ist. Die beiden nehmen mich mit zur Ziegenkäserei, am Abend gibt es einen deutsch-französischen Abend mit Käse, Wein, hausgemachter Salami (konnte ich bei Tafi del Valle am Straßenrand erstehen), Oliven und Salaten – die Kellerei, in der wir eine Weinprobe machen wollten, hatte nämlich schon zu, somit gab´s die Verprobung lokaler Tropfen (Torrientes und Malbec) also kurzerhand im Garten, mit netten Gesprächen. Und ich habe wieder was gelernt: Den Käse schneiden Franzosen nicht in Scheiben, sondern in Ecken – als ich ansetzen wollte, den guten Ziegenkäse längs zu schneiden, ging ein Raunen durch den Garten und Luft wurde scharf eingezogen 😉

Der nächste Tag ist der vorerst letzte heiße Tourtag: Es werden nochmal knapp 30 Grad und die Straße führt durch Weingüter hinaus aus Cafayate. Mit Beginn der Naturreservats „Quebrada de las Conchas“ ändert sich das Bild schnell: immer mehr Felsen rahmen das Tal, meist rot, oft in tollen Formen und mit Höhlen versehen. Die Vegetation wird spärlich, doch unter einem Baum entdecke ich am Horizont dann doch Umrisse eines liegenden Rades mit Kanistern. Tatsächlich treffe ich nochmal Radtoureros, damit habe ich nicht mehr gerechnet. Das Argentinisch-Kolumbianische Pärchen startete vor einem Jahr in Kolumbien und reist mit Gitarre und Violine um unterwegs immer mal wieder ein paar Pesos zu erspielen. Nach gemeinsamer Mittagspause fahren wir in unterschiedlichen Richtungen weiter. Noch 50 km (von heute 105 km) und ein Kuchenstopp sind es bis La Vina, der heutigen Tankstelle mit kleinem Bistro, Dusche und Platz zum Zelten.

Einen Tag und 85 km später komme ich bereits mittags in Salta an, der angeblich schönsten Stadt Argentiniens. Ein paar hübsche Kolonialbauten stehen an den Hauptplätzen, es gibt einen Aussichtsberg mit Gondel und einen netten Park, gut aussehende Bars und Restaurants, was die Stadt so besonders machen soll, erschließt sich mir jedoch nicht. Mit Anna, meiner amerikanischen Gastgeberin geht es auf den Berg, zu ihren Boulder/Kletterfreunden und am Folgetag auch Essen. Im deutsch-europäischen Kulturzentrum sehe ich die deutsch-kanadische Filmproduktion „Coconut Hero“ auf Englisch mit spanischem Untertitel, nehme gern die anschließende Vernissage in der zugehörigen kleinen Galerie mit Snacks wahr und verabrede mich mit der Direktorin des Kulturzentrums für den Folgetag, um Ideen zu ihrem Oktoberfest in Salta auszutauschen. Am letzten Abend ziehe ich noch zu einem weiteren Couchsurfer, während es in der Stadt kaum noch 20 Grad sind und die Sonne nicht mehr herauskommt. Am 15.04. erreiche ich schließlich auf der wunderschönen, engen Ruta 9 Jujuy – die Strecke ist kaum befahren und führt erst auf 1550 m hinauf, um dann wunderschön kurvig wieder einige hundert Meter tiefer nach San Salvador de Jujuy, der nächsten Provinzhauptstadt zu führen. Es regnet leicht und dichter Nebel sowie Wolken lassen lange leider nichts vom Tal erkennen. Allein die Regenwaldvegetation macht diese 97 km aber zu einer der schönsten Etappen im Norden. Am 17.04. geht es nun für zwei Wochen ins private Naturreservat Aldea Luna – kein Strom, kein Netz und dafür jede Menge Natur. Ab Anfang Mai kehre ich dann in die Zivilisation zurück.

 

15. – 21.03.2018 Von Santiago in luftige Höhen, nach Mendoza und zurück in die Pampa

Am 15. März wird es ernst: Mit frisch gebackenem Brot im Gepäck geht es zum wohl letzten Mal Richtung Argentinien. Ziel ist Mendoza, doch zuvor gilt es, den Bermejo-Pass (auch Christo Redentor-Pass genannt) zu überwinden. Die bisherigen Gebirgsquerungen lagen auf 1200 bis 1400 Meter über dem Meeresspiegel, der Bermejo ist zwar noch deutlich flacher als der Pass Aqua Negra (4800 m), bietet mit seinen Querungen auf 3100 Meter (durch den Tunnel) bzw. 3800 Meter über die alte Passstraße aber auch so ausreichend Herausforderungen. Von Santiago (ca. 500 m ü. NN) aus führt die Autobahn binnen 75 km nach Los Andes, auf 900 m. Wieder sind es über 25 Grad beim zarten Prolog mit Camping und jeder Menge Pasta am Tagesende. Am ersten Tunnel warten Arbeiter der Straßenwacht, die Fritz auf einen Pickup verladen und uns durch den unbeleuchteten, 2 km langen Tunnel fahren – während auch auf der Autobahn Fahrräder offiziell nicht erlaubt sind, wird dieses Verbot hier mit Recht durchgesetzt. Für die alternative Tunnelquerung bin ich dankbar, alles andere wäre nicht sicher.

Tag zwei hat ebenfalls nur 70 km Strecke, der Tacho zeigt zum Schluss aber schon 2900 Höhenmeter an und die Etappe zählt 29 Serpentinen, die auf kurzer Distanz die (fast) letzten 700 Höhenmeter des Tages überbrücken. In Portillo kann ich in der Fahrzeughalle des Skigebiets schlafen, den Wasserschlauch zum Waschen nutzen (im Wind, Lufttemperatur 6 Grad) bekomme von den Arbeitern sogar noch Weintrauben zugesteckt und gönne mir ein Abendessen im Skihotel nebenan – Team Chile sitzt am Nebentisch, während ich mir die Dorade schmecken lasse und den Ausblick auf den Bergsee genieße. Die Zimmerpreise beginnen bei 100 US$ pro Nacht, Alpinteams aus Österreich und den USA scheinen Stammgast zum Sommertraining zu sein, davon zeugt die signierte Fotogalerie. Tag drei birgt den Angriff auf die Passhöhe – bislang lief´s auf Asphalt Dank großzügiger Übersetzung der Schaltung ganz gut und bis oben sind´s ja nur rund 12 km, aber eben auch noch 900 Höhenmeter. Start um 9:30 Uhr. Bis 3200 Meter gibt es sogar noch Asphalt bzw. eine feste Piste mit Spitzkehren. Die Tunnelzufahrt (von der Straßenwacht ist heute niemand zu sehen, der mich auf die andere Seite bringen könnte, wenn ich denn wöllte) liegt bereits 150 Meter unter mir. Ab hier gibt es jedoch immer mehr groben und losen Schotter in den Kurven und den kurzen Geraden – mit dem Rad komme ich da nur noch selten durch und muss durch die ungezählten Spitzkehren schieben. Auch die Luft wird deutlich dünner, bei 3550 Metern ist Schluss – der Blick nach oben und auf das GPS verspricht keine Verbesserung der Konditionen: Mehr Schotter und etliche Kurven folgen. Schweren Herzens beschließe ich umzudrehen und doch am Tunnel mein Glück zu versuchen. Die Durchfahrt per Rad ist auch hier zurecht verboten, sodass die Straßenwacht helfen müsste. Nach zwei Kurven bergab kommt aber die Lösung: Ein Kleintransporter kann mich doch noch mit nach oben nehmen. Die beiden Fahrer wollen Fritz samt Gepäck über Kopfhöhe auf den Wagen hieven, scheitern aber, wie zu erwarten, an Gewicht und Unhandlichkeit meines Gefährten. Mit abgenommenen Taschen wird das Zweirad schließlich auf dem Dach verzurrt und 20 min später sind auch die letzten 274 Höhenmeter und sicher nochmal 20 Spitzkurven überwunden. Gegen 14 Uhr stehen wir am windumtosten Pass bei 3824 m ü NN. Für die übergroße, den Frieden propagierende und wohl von Argentinien und Chile gemeinsam errichtete Christusstatue habe ich bei starkem Wind und 6 Grad nur wenig Blicke. Nach ein paar Fotos wird Fritz wieder beladen, auf der anderen Seite geht es mit angezogenen Bremsen bergab.

Mehr als Tempo 15 ist nicht drin, auch die Argentinier verstehen es, radunfreundlichen Schotter auf die Pisten zu schmeißen. Die Folge ist ein kontrollierter Abstieg über den Lenker, der geübte Radfahrer landet geschmeidig wie eine Katze, auf allen Vieren und ohne Schaden (oder anders ausgedrückt: Ich bin froh, dass das Rad relativ langsam wegrutscht und ich den Sturz noch gut abfangen kann).

So dauert der 9 km lange Abstieg auf knapp 3100 Meter fast eine ganze Stunde, gegen 15 Uhr stehe ich wieder auf Beton, mitten im Wind – unerwartet seitlich von hinten, statt wie vorhergesagt aus Osten und damit von vorn. Nach der Mittagspause bin ich guter Dinge, Uspallata, 75 km weiter bergab, doch noch zu erreichen. Einige Tunnel, eine Ralley mit Autos aus den 70ern, schlechte Straßenbedingungen und vor allem unberechenbare Winde aus wechselnden Richtungen gepaart mit Schwerlastverkehr, der aus dem Passtunnel von hinten kommt bremsen mich die ersten 20 km jedoch aus. Bei über 25 km/h fängt das Rad an zu „flattern“ bzw. schieben mich seitliche Böen quer über die Fahrbahn. Abermals muss also gebremst werden. Nach dem gemeinsamen Drive-Through-Grenzposten beider Länder ohne ernsthafte Kontrolle geht es deutlich besser weiter. Die Straße (immerhin ist dies der meist genutzte Grenzübergang zwischen Chile und Argentinien) ist besser in Schuss, der Wind kommt nur noch von hinten und Dank Wochenende nimmt auch der Verkehr in der Abendsonne ab. Die Strecke führt durch ein einziges, ewig langes Tal, vorbei am Aconaqua (knapp unter 7000 m und damit höchster Gipfel außerhalb Asiens), entlang der alten Bahntrasse mit Tunneln, teils umgenutzten Bahnhöfen, kleinen Geistersiedlungen und tollen Felsformationen in allen Farben. Mit 77 km/h erreiche ich für ein paar Sekunden eine neue Höchstgeschwindkeit, meist geht es jedoch mit 30-35 km/h die seicht abfallende Straße hinab nach Uspallata. Mit diversen Fotostops und Essenspause erreiche ich den Ort gegen 18:30 Uhr. Nach dem Einkauf sehne ich mich dringend nach einer Dusche und finde diese 5 km außerhalb in einem rustikalen Hostel mit sprichwörtlich wadenbeißenden Pfeifenreinigern (kommt davon, wenn man über den Zaun im Garten steigt, weil man das Grundstück von der falschen Seite anfährt). Neben mir übernachten noch ein paar Rennradfahrer, die am nächsten Tag ebenso nach Mendoza wollen – allerdings ohne Gepäck und mit Begleitfahrzeug.

Die 120 km nach Mendoza könnten so schön sein – von 1700 auf 800 Höhenmeter hinunter Richtung Osten und auf der Ruta 40 noch ein Stück nach Norden. Könnten, wäre da nicht der Wind. Nach spätem Frühstück starte ich und die Düse ist schon an: Auch bergab werde ich nicht schneller als „rasante“ 10 km/h. Das Etappenziel rückt rasch in weite Ferne, erst ab 14 Uhr erreiche ich einen Punkt im Tal, wo der Wind schwächer und die Straße etwas steiler wird (wohl 2 statt 1 %). Hier treffe ich auch die ersten Reiseradler seit Villarica, ein englisches Pärchen im besten Alter, die sich binnen drei Tagen das Tal zum Bermejo hoch arbeiten wollen und immerhin Rückenwind haben.

Als das Tal sich verbreitert und riesige Weingüter in Sicht kommen, wechsle ich von der Ruta 7 auf die autobahnartige 40 und endlich schiebt der Südwind ein bisschen, zumindest für die letzten 25 km.

Wie rund um Großstädte üblich nimmt der Anteil rüpelhafter Fahrer und insbesondere Trucker zu: Zwei von Hundert lassen es sich nicht nehmen, mich in den Seitenstreifen zu hupen bzw. zu schneiden. Insgesamt ist es aber immer noch sicheres Fahren, nicht schlimmer als auf Deutschlands Landstraßen. In der Stadt selbst gibt es, wie in vielen größeren argentinischen Städten, wieder Radwege – direkt an der Straße, in Sichtweite der Autofahrer, perfekt – wenn auch nicht überall. 18 Uhr ist Mendoza erreicht, an der Tankstelle warte ich noch auf meinen Couchsurfinghost und beginne dann zwei volle Tage Ruhe: Steak, ausschlafen, Pizza, Eis, Besuch im großen Park San Martin (das ihm gewidmete Museum hat immer dann zu, wenn ich es besuchen will), Kettenwechsel (ab nun immer nach 1.500 km) – viel mehr passiert bei 30 Grad nicht.

Von Mendoza aus führt mich die mittlerweile weiter nach Osten verlegte und asphaltierte (ehemals legendäre) Ruta 40 weiter nach Norden durch trockene Steppe. Außerhalb der folgenden in Oasen gelegenen Städten mit Wein oder Olivenhainen gibt es wenig außer ausgetrockneten Flußbetten und Steinpampa mit wenig Vegetation. Der Verkehr nimmt ab, Siedlungen und Raststops sind selten. Nach 80 km erreiche ich eine Mautstelle, an der ich hinter dem Polizeiposten campen und mich auch duschen kann. In der Zelle darf ich leider nicht übernachten, schade. Unterwegs traf ich den bis Mitte April letzten Radfahrer der Saison auf dem Weg nach Süden, einen Franzosen, der mir die Ruta 9 für den weiteren Weg nach Norden empfahl und selbst noch bis Ushuaia kommen möchte.

San Juan erreiche ich am nächsten Tag, raste hier bei 33 Grad, backe mal wieder Brot … und meine Kreditkarte wird, wie ich später erfahre, von meinem besorgten Kreditinstitut gesperrt. Scheinbar war das Bezahlsystem des Hostels meiner Bank suspekt und diese sperrte die Karte. Mit der neuen, die sie mir (nach Berlin) zuschicken, kann ich nicht allzu viel anfangen. Zum Glück traf ich mit meinem „Finanzminister“ (Danke Paps!) daheim Vorkehrungen und habe noch eine Karte am Mann, ärgerlich ist es trotzdem.

12. – 14.03.2018 Santiago de Chile & Valparaiso

Bislang reizten mich die Städte entlang der Route eher weniger – es sind bequeme Orte um Vorräte aufzustocken und Ersatzteile zu bekommen, die Chance auf ein Bett bzw. eine Couch und eine Dusche sind höher, als auf dem platten Land, aber nur wenige Orte lohnten wirklich einen längeren Aufenthalt der Stadt selbst wegen. Santiago de Chile, Hauptstadt dieses langen Handtuchs an der Westküste Südamerika mit wohl über 5 Millionen Einwohnern im Großraum, überraschte mich positiv. Die Straßenzüge muten europäisch bis anglo-amerikanisch an, die Stadt hat ein paar wunderbare Parks und war an diesen Tagen weniger hektisch als befürchtet. Das Stadtzentrum ist durchaus fußläufig zu besichtigen (wenn man Zeit hat). Die hatte, beziehungsweise nahm ich mir dann auch um noch am ersten Abend die große (aber gerade eben geschlossene) Markthalle anzusehen und durch das noch ruhige, scheinbar hippe Ausgehviertel zu schlendern – vereinzelt dröhnten schon erste Bässe aus den Clubs und lockten Happy Hours zum verhältnismäßig frühen Abendessen. Auffällig war die zumindest in diesem Viertel offen auftretende queere Community – in anderen Stadt-, geschweige den Landesteilen war dies eher nicht der Fall. Mit ein paar bunten Bildern im Kopf ging es auf dem Rückweg über die abendlich beruhigte Hauptstraße mit drei Baumreihen und Grünflächen. In einem der Parks traf sich auf kleiner Fläche jeder, der Lust auf „draußen“ und Kultur hatte: Vor dem Kolonialbau spielte eine (vermutlich eben erst zusammengefundene) Combo Jazz und andere freie Töne, nebenan wurde ein offener Paarakrobatik Workshop durchgeführt (blöd nur, wenn man allein da ist), keine 50 Meter weiter trafen sich die B-Boys und -Girls mit Boombox und probten ihre neuesten Moves (Yo!) und gegenüber davon stand sich eine fünfköpfige Percussiongruppe und rund 20 Tänzerinnen in Reihen gegenüber um ihrerseits Musik zu machen, neue eher folkloristische aber sehr dynamische Schritte zu lernen und weite Röcke durch die Luft wirbeln zu lassen. Rund um saßen Cliquen und Schaulustige, teils mit Picknick. Quasi wie „früher“ mal im Mauerpark. Auf dem Plaza de Armas ein ähnlicher Menschenauflauf rund um einige Straßenkünstler, jedoch lauter, aufdringlicher und ohnehin hat man dort intuitiv die Hand immer auf seiner Kamera bzw. den Wertsachen. Die angestrahlten Gebäude waren dennoch schön anzusehen.

Am 12. März war scheinbar der gerade ins Amt eingeführte neue chilenische Präsident (Südamerikas Version von Berlusconi bzw. Trump, nach einer Pause zum zweiten Mal im Amt, nachdem er um 2010 schon mal regierte und von Bechelet abgelöst wurde) zu Gast bzw. bezog den beim Putsch gegen Allende am 11. September 1973 von der nationalen Luftwaffe bombardierten Präsidentenpalast „Moneda“. Dies war übrigens der einzige Einsatz der chilenischen Luftwaffe in deren Geschichte und die Tatsache, das Allende mit Sturmgewehr und Einschußlöchern in Kopf UND Brust gefunden wurde, lässt bis heute an der Suizidtheorie zweifeln.

Während das Umfeld des Palastes zumindest für den Fahrzeugverkehr weitgehend abgesperrt und mit martialisch ausgerüsteter Polizei abgesichert wurde, gönnte ich mir nebenan einen Smoothie und eine wohltuende Rückenmassage in der mit Food-Trucks gefüllten Baulücke. Entspannung hätte auch geklappt, wäre in diesem Moment nicht Kolonne bzw. Parade mit Marschmusik und Tammtamm genau hier vorbeigezogen. Sonne und zupackende Hände im Nacken, eine Melange aus Ethno-Entspannungsmusik aus Kopfhörern und Rummtata auf den Ohren, ein besonderes Erlebnis.

Da Montag, waren die Museen und auch einer der größeren Parks leider geschlossen. Offen hingegen war eine Galerie mit Bar, Theaterraum und Vertikalgarten in einem abgebrannten altem Haus, unweit meines Hostels. Eine echte kleine Oase. In der Nähe fand ich zudem einen fähigen Fahrradmechaniker, dessen Aufkleber mir schon in Bariloche auffielen (Pimp my Bike Santiago) und der das Problem mit der Schaltung mit wenigen Handgriffen löste. Diese war in Bariloche beim Einbau der neuen Teile schlampig eingestellt worden, sodass der zweite Gang der Kassette nicht ansteuerbar war – für die kommenden Bergetappen fatal. Vom teils gaudiesk gestalteten Park und Aussichtshügel Santa Lucia hatte ich noch einen schönen 360 Grad-Blick auf die Hochhäuser und Gebirge am Horizont, die wegen der durch Tallage und hohem Verkehrsaufkommen diesigen Luft (im Winter bei fehlendem Wind gern Smog) jedoch mehr zu erahnen als wirklich gut zu sehen waren.

Die folgenden beiden Tage verbrachte ich im nur zwei Busstunden entfernten Valparaiso – immerhin UNESCO Weltkulturerbe und eine der wichtigsten Hafenstädte des Landes. Durch Landgewinnung konnte der flache Streifen der Stadt, der „Plano“, auf ein paar hundert Meter Breite entlang der Küste vergrößert werden, dahinter klettern die Stadtviertel steil die Berge hinauf. Die alte Küstenlinie ist in der Stadt mit einem Kopfsteinpflasterband markiert. Trotz bzw. wegen des großen Hafens mit Containerumschlag und Marine kommt man nicht direkt ans Meer. So ist dieses wohl mehr Sehnsuchtsort und Inspiration für viele Maler und Schriftsteller denn tatsächlicher Aufenthaltsort. Pablo Neruda besaß hier zwei Häuser, die nun öffentlich zugänglich sind, seinen Geburtsort passierte ich bereits an der Ruta 5. Wer baden will, muss jedenfalls in die Nachbarstadt Vina del Mar fahren, die ungleiche, da ungleich reichere, Schwesterstadt, und kann dort auch in den nahen Dünen Sandsurfen. Was die Stadt von anderen unterscheidet ist neben der Hanglage mit über 100 teils privaten Aufzügen und Standseilbahnen (von denen aber nur ein halbes Dutzend funktionsfähig gehalten werden konnte und touristisch genutzt wird) sicher der hohe Anteil an Streetart: Kaum ein Haus, das nicht mit gesprühter Kunst verziert (oder manchmal auch verschandelt) wurde.

Früher eher Ausdruck des Protests und mangelnder Entfaltungsmöglichkeiten, bedienen sich insbesondere auch touristische Einrichtungen der Wandmalerei lokal, national und manchmal international tätiger Künstler, um ihre Fassaden zu verzieren – mal mit reinen Schmuckelementen, nicht selten auch mit politischer Botschaft, historischem Bezug oder kritischen Blick auf die Gesellschaft. Ein gutes Mural sei dabei der beste Schutz gegen unerwünschte Bilder und Tags Dritter an der eigenen Wand. Sicher könnte man Tage damit verbringen, die sich beständig ändernde Freiluftgalerie zu bewundern. Hinzu kommt eine kosmopolitische Atmosphäre zwischen Verfall (und oft unkonventioneller Nachnutzung) der alten Villen aus Gründerzeiten, dem Geschäftsviertel, internationalen Einflüssen und der Art der Bewohner mit all dem umzugehen. Nicht nur die Graffitis machen jedes Foto bunt, oft wurde auch alles zum Hausbau verwendet, was gerade verfügbar ist: Früher Balastholz der Segelschiffe, später Bleche, Planen, Bretter aller Art. Baugenehmigungen und -pläne sind in Chile für die kleineren Häuser eher unbekannt und auch ein Gesetz aus der ersten Republik half bei der Besiedlung der angrenzenden 47 Hügel und Inbesitznahme von Land sowie alten Häusern: Solange ein Bewohner ein Bett und eine Toilette mit funktionierender Spülung vorweisen kann, darf sein Habitat nicht geräumt werden. Entsprechend kreativ sind manche Viertel und Straßenführungen abseits des Plano. Wobei wohl alle Bauten offiziell an das Stromnetz angeschlossen sind. Die oberirdische Kabelführung unterdessen könnte man aber auch in den planmäßig bebauten Vierteln schon als eigene Kunstform begreifen. Die eigentliche Sehenswürdigkeit und Attraktion ist das Stadtleben selbst – man mag es und saugt es beim Gehen durch die Straßen auf, oder aber man kann mit der Stadt nichts anfangen, die scheinbar unstrukturiert ist und Besuchern keine touristische ToDo-Liste an die Hand gibt. Einen Nachmittag lang wanderte ich vom Busbahnhof bis zum etwa 5 km entfernten Hostel durch verschiedene Viertel, bergauf, bergab, in Schleifen – das übliche Schachbrettmuster lateinamerikanischer Städte sucht man abseits des Plano vergeblich. Automatisch fühlt man sich wie auf Entdeckungstour und selbst Horden von Touristen verteilen sich im unübersichtlichen Straßengeflecht recht schnell.

Am Abend habe ich einen wunderbaren Panoramablick vom Hostel aus auf die Stadt. Nach dem Frühstück bringt mich ein rasant fahrender Busfahrer (die werden mit kleinen Prozentsätzen am Ticketumsatz beteiligt und versuchen immer schneller als die anderen zu sein, um mehr Fahrgäste befördern zu können) zurück in die Innenstadt zur Tour4Tipps. Knapp drei Stunden dauert die unterhaltsame Führung mit auf das notwendigste reduzierten historischen Daten und jeder Menge Einblicke in die Lebensart Valparaisos – vom Platz der Trinker und ältesten Bar der Stadt (mit günstigem Suff und von den Gästen vergessenen Hüten an der Wand) über eine Fahrt in einen Teil der Oberstadt, Exkursen zur Streetart, Bräuchen und Slang-Ausdrücken, Besuch des ehemaligen Gefängnisses (von Pinochet für politische Häftlinge und Folter genutzt), welches heute Kulturzentrum mit monatlich vergebenen, kostenfreien Ateliers und Proberäumen sowie Gedenkstätte ist bis hin zum Abschlussdrunk „Jote“ [sprich Chote] aus einem Schnapsglas – Rotwein mit Cola, ein fragwürdiger Genuss mit Kopfschmerzpotential. Am Abend erreiche ich wieder Santiago und bereue nicht, mir die über 100 km auf der Autobahn mit dem Rad gespart zu haben. Die Strecke ist heiß, außer Wein gibt es nicht viel zu sehen und die Busfahrt buchstäblich Minuten vor Abfahrt gerade mal vier Euro. Vorbuchen und dabei das doppelte bezahlen brauch man nicht, die Busse fahren alle 15 min und haben immer einen Platz frei. In Valparaiso selbst wäre ich abseits des Planos mit Rad und Gepäck zudem ohnehin nicht weit gekommen.

24.02. – 11.03.2018 von Bariloche nach Santiago de Chile

Nach dem Abschied von Janine und wenigen Tagen zum Sortieren geht’s weiter – zurück auf die Piste, um den See herum nach Villa La Angostura.Im Urlaubsort der scheinbar besser betuchten Gäste, die die Natur am liebsten durch das Fenster ihres Spa-Hotels sehen übernachte ich bei Vinz und seinen drei Mitbewohnerinnen – allesamt deutsche Freiwillgendienstleistende (weltwärts), die nach dem Abi hierher kamen um im Ort ein Laienorchester zu betreuen und Musikunterricht zu geben. Klingt nach einem spannenden Projekt. Nach Abendessen und Spaziergang zum See teile ich mir das Wohnzimmer mit einem weiteren Couchsurfer. Zum Frühstück speisen wir Müsli und Pan Aleman bevor ich mich zur Sieben-Seen-Tour (Siete Lagos) nach Norden aufmache. An die Seen kommt man leider an wenigen Stellen ran, um so schöner ist der offizielle Wildcampplatz am Flußufer – Trinkwasser gibt’s auch, beim nahegelegenen Bezahlcampingplatz. Unterwegs treffe ich einige leichtbeladene Bikepacker und Mountainbiker, die aber trotzdem nicht rascher über die Berge kommen (solche Lappen ;)). Besonders beeindruckend ist jedoch die tiefgebräunte Soloradlerin, die mit 67 Jahren unterwegs nach Süden ist und tagsüber nur gesüßten Tee zu sich nimmt – wäre ernährungstechnisch ja nicht so meins. Neben mir zeltet ein japanischer Feuerwehrmann, seit 3 Jahren unterwegs inklusive Kühlbox auf dem Gepäckträger– der bräuchte mal wieder ´nen Reifenwechsel: Normalerweise sollte man spätestens tauschen, wenn die blaue Schicht des Pneus zu Tage tritt. Bei ihm dachte ich jedoch erst an ein Sondermodell: die gesamte Lauffläche beider Reifen war bereits blau (letzte Wechsel in Kalifornien bzw. Panama). Vor der Carretera Austral mit ihrem Schotter sollte er also doch mal wieder über neue Schlappen nachdenken.

Weiter geht’s nach San Martin de los Andes – über eine kräftige Steigung und lange bergab am See entlang. Da ich bereits Mittags dort ankomme und der Wind günstig steht, geht’s noch 45 km weiter nach San Junin de los Andes mit dem Vulkan Lanin im Blick.

Nach wie vor ist es sommerlich – kein Tag unter 20 Grad, der Wind kommt jedoch nicht immer aus der „richtigen“ Richtung. An diesem 1. März gibt es Gegenwind und von 800 m ü NN geht es über den 1200 m hohen Pass – zum Großteil auf Asphalt, lediglich 10 km im Nationalpark sind Schotter der schlechteren Sorte. Zum Mittag erreiche ich nach 70 km die Passhöhe und mache Mittag am Fuße des Vulkans. Sonderlich gemütlich ist es hier nicht – trotz Sonne, WIFI der Nationalparkverwaltung und einem einfachen Campingplatz. Außerdem habe ich in Pucon noch eine Couch für diese und die nächste Nacht in Aussicht. Also geht’s nach ausgiebigem Mittag weiter – nochmal 75 km, ein gutes Stück bergab vorbei an Araukanien, See, Felsformationen, einem wunderbaren Fluß, dessen Anrainer gern darin baden und Baumhäuser bauten – überhaupt ist fast alles aus Holz gebaut, auch die Tankstelle. Reife Brombeeren am Straßenrand und ein Kiosk mit Zitronenkuchen sowie „Mote con Huesillos“ (Getreide in süßem, kaltem Tee mit eingelegtem Pfirsich) versüßen die weiteren kurzen Stops. Dabei ist es so warm, dass ich doch gern an einer der Auen gecampt und gebadet hätte. Nach dem bisher längsten Tag mit 145 km erreiche ich Pucon auf 200 m ü NN – eine trubelige, touristische Stadt. Aber zum Glück ist Saisonende. Bei Maria beziehe ich meine „Couch“ – ein eigenes Zimmer mit Bad und revanchiere mich mit vernünftigem Salat, der anders als der landestypische nicht nur aus Zwiebeln und Tomate und mit Glück ein bisschen Grün besteht. Meine Gastgeberin verkauft Erlebnistouren in einer Agentur, die Besteigung des Vulkans Villarica buche ich dennoch bei der sehr guten Konkurrenz und ziehe nach zwei Nächten wie vorgesehen in ein wunderbares Hostel mit Enten, Hund, Slackline, Hängematten, Tischtennistisch und mehr.

Die Tour auf den Villarica beginnt noch vor Sonnenaufgang – 6.30 Uhr ist Treff am Agenturbüro, die am Vortag ausgewählte Ausrüstung wird übergeben bzw. angezogen und lwir werden zum Start des Aufstiegs gefahren. Drei Guides und mit mir sechs Möchtegernalpinisten mit Helm, Steigeisen, Eishacke und Gasmaske steigen in den Kleinbus, der uns zur Talstation des Vulkans bringt. Oben am Gipfel hängen hartnäckige Wolken und wir werden aufgeklärt, dass wir vielleicht nichts sehen werden oder gar abbrechen werden müssen, sollten sich die Bedingungen verschlechtern. Entscheiden Sie jetzt: Umkehren und an einem anderen Tag nochmal probieren oder es wagen – ohne Geld zurück. Nach 15 min steht fest, alle wollen es versuchen. Mit den Worten der Brigade Futur III: Alles wird gut gegangen sein werden. Kurz darauf sitzen wir im etwas in die Jahre gekommenen Sessellift (gut festhalten, kein Sicherungsbügel) – alternativ hätte man auch eine Stunde durch Vulkanasche zum Beginn des eigentlichen Weges hinauf laufen können. Von dort sind es noch gut 900 Höhenmeter hinauf zum Krater – ab 9 Uhr laufen wir immer hinter einem der Guides entlang, beständig in recht langsamen, aber angenehmen Tempo und regelmäßiger Pause. Die beiden anderen gehen weiter vor oder helfen bei Bedarf den Gebrechlichen. Später werden die Steigeisen angelegt, um über die Eisfelder am Hang gehen zu können, die Eisaxt ist nützlich als Wanderhilfe. Ein englisches Pärchen ist scheinbar keine Höhen über 150 m gewohnt, beißt sich aber tapfer durch. Es geht vorbei an der Ruine eines alten Lifts, der bei einem früheren Ausbruch (in den 1970ern?) zerstört wurde. Der Villarica zählt zu den aktivsten Vulkanen des Kontinents, der letzte Ausbruch vor einigen Jahren hatte jedoch keine Folgen für die Menschen im Tal. Im Winter werden die Hänge zum Skigebiet. Unterwegs sieht man leider nichts vom Tal, den umliegenden Seen und Vulkanen – die Wolkendecke ist zu dicht und wir mittendrin. Zum Mittag gelangen wir zum Krater (2840 m) und stehen wörtlich über den Wolken. Aus diesen ragen der Vulkan Lanin und andere Gipfel heraus – ein fabelhafter Anblick. Im Krater ist, wie uns erklärt wird, zu viel Feuchtigkeit und damit Dampf, sodass man leider nicht sonderlich tief sehen kann. Die aufsteigenden Schwefeldämpfe reizen dafür umso mehr die Atemwege und Augen – trotz Gasmaske wird kräftig gehustet. Der größte Spaß folgt aber erst noch: Der Abstieg erfolgt nicht immer auf den Beinen. Gut ein Drittel der Strecke rutschen wir in Rinnen über verschiedene Eisfelder hinab: Mal auf dem blanken Hosenboden (der gestellten Überhosen), mal auf einem Arschleder aus Kunststoff – die Eisaxt immer nah an der Hüfte als Bremse. Gelingt es nicht, das Tempo damit ausreichend zu regulieren, fliegt man auch mal aus der Rinne, dreht sich und rutscht den Hang rückwärts hinab. Die Guides sehen das nicht so gern, aber dieser kleine kurzfristige Kontrollverlust fetzt! Die Engländer landen allerdings deutlich weiter neben der Spur und versuchen dann wieder heraufzukraxeln – ohne Schadenfreude witzig anzusehen. Die letzten Meter geht es mit Schnee in der Hose über Vulkanasche hinunter zum wartenden Kleinbus. Nun sieht man auch das Tal endlich wieder. Nach etwas Obst und Zielbier in der Agentur bleibt noch ein ganzer halber Tag.

Diese Tour könnte (!) man übrigens auch allein, also ohne Agentur, machen – verlaufen würde man sich auf Grund der vielen geführten Gruppen wohl kaum. Aber so müsste man den Transport zur Talstation und auch zurück organisieren (je 1 Autostunde), die Genehmigung der Parkverwaltung einholen und sämtliche Ausrüstung mieten (Eishacke, Steigeisen, Helm etc werden von der Parkverwaltung verlangt und überprüft, Gasmaske empfohlen; das Arschleder, Stiefel und die gestellte Oberbekleidung erwiesen sich als sehr gut und schonten die eigenen Klamotten). Nicht zuletzt war die Einweisung, wie und wo man richtig/sicher herunterrutscht nicht ganz unnütz. Zwei Typen sahen wir beim Aufstieg, die nach den Rinnen hinunter fragten und diese dann mit Mülltüte unterm Popo herunterrutschen wollten. Vielleicht war dies nicht des cleverste Idee. Ich bereue jedenfalls nicht, die etwas weniger abenteuerliche Variante gewählt zu haben.

Also, was tun mit dem nun sonnigen Nachmittag? Seit Villa la Angostura habe ich den Salto del Claro im Kopf – mein Host Vinz zeigte mir ein Video seines Besuchs und schwärmte davon. In Laura, die mit auf der Vulkantour war und eigentlich gerade auf Dienstreise für die bayerische Umwelthilfe in der Region ist, aber heute frei hat, finde ich eine begeisterte Mitstreiterin. Nach dem Mittag geht’s per Rad der wagen Wegbeschreibung nach zum „versteckten“ Wasserfall im Wald. Viele bekommen den Hinweis zum Besuch dieses schönen Ortes als Gast des ChiliKiwi-Hostels im Ort – betrieben von einem Neuseeländer, der eine handgezeichnete Karte mit dem Weg bereit hält. Mittlerweile findet man die Wegbeschreibungen aber auch online. Nach ein bisschen Suchen, steilen Sträßchen und Brombeeren am Wegesrand (wiederhole ich mich?) sowie einer falschen Abbiegung (den verblassten Pfeil am Baum inmitten des Waldes konnte man wirklich kaum sehen) gelangen wir zum wunderbaren Wasserfall – ohne Frage, da muss man baden, auch wenn die Sonne nicht mehr so kräftig scheint. Der Druck des fallenden Wassers ist immens, auch hinter die Kaskade gelangt man. Zwei Jungs klettern noch ein bisschen mehr rum und kommen so in die kleine Höhle neben dem Fall. Der Kessel rundherum ist wahnsinnig grün, die Vegetation durch den Wasserdampf eine ganz andere als im Wald rundherum. Zwar ist das Wasser auch hier sehr frisch, aber wunderbar! Was für ein Tag: Hinauf zum Vulkankrater, hinunter gerutscht auf Schnee und zum Schluss noch im subtropisch anmutenden Wasserfall gebadet. Gefällt mir richtig gut!

Nach insgesamt drei wunderbaren Pausentagen (inkl. Vulkanbesteigung) in Pucon mit dem vorerst letzten leichten Regen am Tage (bis zum 1. April 2018) für die nächsten Wochen ging es am 5. März weiter – mit viel Sonne und deutlich über 25 Grad auf der teils stärker befahrenen Landstraße vorbei an Brombeeren, Ausblicken auf den Vulkan Villarica und reifen Brombeeren, die gepflückt werden wollten, durch den Ort Villarica mit nochmaligem Blick auf den gleichnamigen Vulkan und schwarzem (künstlich geschaffenen) Strand … und noch mehr Brombeersträuchen zur Ruta 5, DER Autobahn, die ich teils schon rund um Chiloe fuhr und auf der ein größerer Abschnitt der Panamerikana verläuft. Von hier bis Santiago gab es schöne Tankstellen zum Rasten und Campen, einen meist guten Seitenstreifen, viel Wald und Verkaufsstände am Straßenrand, zwei Fahrspuren je Richtung, mäßigen Verkehr, leider auch sich lange in den Tälern haltenden Rauch aus den Wäldern oder von angrenzenden Grundstücken (was auch immer da verbrannt wurde), vor Santiago dann mehr Wein und die (intakte) Eisenbahnlinie mit netten Brücken. Am Horizont tauchten manchmal die Voranden auf, das war´s dann aber auch schon mit Highlights. Knapp 700 km von Freire nach Santiago waren nach knapp 6 Tagen abgehakt. Unterwegs stoppte ich zum Campen an den COPEC-Tankstellen, die auch Duschen zur Verfügung stellten (manchmal gar eine Truckerlounge mit TV, WIFI und einmal auch einen Waschsalon), in mehr oder minder austauschbaren Städten (Los Angeles, Chillan, Victoria, Linares, San Fernando) und zu Beginn der Etappe auf einer Weide neben dem Truckstopp, 50 m von der Autobahn entfernt, wo mich der deutschstämmige Besitzer nach Einbruch der Dunkelheit mit seinem Jeep anstrahlte, mir nach kurzem Interview aber die Übernachtung gewährte – da ich Deutscher sei, sei das ohnehin kein Problem. Merkwürdiges Konzept, das Bleiberecht eines verzottelten Burschen an dessen Pass festzumachen. Apropos „deutsch“ – die ehemalige „Colonia Dignidad“ liegt knapp 50 km von der Ruta 5 entfernt, nennt sich jetzt „Villa Bavaria“ und wirbt mit vermeintlich deutscher Folklore auf Großplakaten um Gäste, die dort Speisen und Übernachten. Ein Besuch bei dem Verein spare ich mir jedoch und träume vom nächsten selbst gebackenen Brot – nur der Ofen fehlt, wobei irgendwann auch die Campingkocherversion ausprobiert wird.

In den Städten fand ich zumeist Unterkunft bei Couchsurfern, wurde am 8. März in Chillan gleich zum Frauentagsmarsch inklusive wiederholter Kreuzungsblockade eingeladen sowie von Vätern und Müttern der Couchsurfer mit Extraportionen zum Abend und Morgen versorgt. In Victoria schlief ich beim Haus-/Kultur- und Recyclingprojekt Oveja Verde – dem grünen Schaf (da eine NGO, ausnahmsweise mit Link) und „erarbeitete“ mir den Schlafplatz, in dem ich ein paar aus Bierflaschen gefertigte Gläser schliff. Neben Bierflaschen werden auch PET-Flaschen gesammelt, teils gebündelt als Wertstoff weiterverkauft oder aber einen neuen Nutzung zugeführt: Glasflaschen werden zu Gläsern, Lampenschirmen und anderem, wobei der Flaschenhals erst geritzt und dann mit heißem Draht sauber abgetrennt wird, Plastikflaschen zu Kunst und nützlichen Gegenständen. Mit den Verkaufserlösen wird das offene Haus mit Saal für Kultur und Workshops unterhalten, keiner verdient, jede/r hilft in der Freizeit, soviel er/sie möchte. Ein schöner Anblick in einem Land, in dem es nur wenige Pfandflaschen gibt, Müll verbrannt oder verklappt wird und, abgesehen von den tausenden Plastikflaschen an Schreinen für die Diffunta Correa, kein Kunststoff vom Restmüll getrennt wird.

Einer der schönsten Campingplätze dieses Abschnitts lag an einer Obstplantage, mit Pool und großer Küche. Als einziger Bewohner der Anlage ließ es sich dort wunderbar aushalten. Zwei mal wurden mir Mitfahrgelegenheiten quasi aufgedrängt – von einem älteren Herren um die 80 mit Zwiebeln und Knoblauch auf der Ladefläche des Pickups, der mich an einer Tanke ansprach für knapp 70 km und von einem Geschäftsmann, der mich an einem sehr heißen Tag freundlicherweise die letzten 40 km mit nach Chillan nahm. Manchmal ist es schön in Ländern unterwegs zu sein, deren Einwohner gern Wägen mit Ladefläche fahren. Zu sehen gab es abseits der Ruta 5 wenig – von den zu diesem Zeitpunkt eher trockenen Wasserfällen Saltos del Laja mal abgesehen. Die Autobahn ist auch für Radfahrer das, was sie nun mal ist: Eine Schnellstraße, nach Norden zu dieser Zeit auch oft mit etwas Rückenwind und nicht zu vielen Steigungen.

Mit ein wenig mehr Verkehr ging es schließlich nach Santiago hinein – da gerade Sonntag war, hätte ich es aber sicher schlechter erwischen können, was die Verkehrslage anging. Zu Santiago de Chile, Valparaiso sowie dem bisher höchsten Pass nach Chile (3824 m ü NN), Mendoza und mehr dann in den nächsten Beiträgen.

04. – 23.02.2018 Rad ab, Kette vom Kranz – Radpause mit Best-Of-Patagonien

Mitte März, weit über 20 Grad in Mendoza / Argentinien, 1.500 km weiter als zum Ende des letzten Eintrags (Bariloche, 3.100 gefahrene Radkilometer) – Zeit für eine Aktualisierung des Blogs in zwei Etappen (weitere Bilder folgen bei nächster ausreichend guter Internetverbindung und Zeit).

Ab dem 4. Februar war Fritz für knapp drei Wochen allein in Bariloche – denn mich brachte ein Flieger quasi einen Monat zurück nach El Calafate. Während das Rad also gut und trocken im Hostel untergestellt war, besuchte ich mit Janine nochmal einige Highlights der bisherigen Route, aber auch Sehenswürdigkeiten, die ich vorher bewusst noch nicht besuchte.

Von El Calafate aus besuchten wir den (in den vergangenen Jahren im Gegensatz zu den meisten Gletschern weltweit nicht schrumpfenden) Perito Moreno Gletscher und ließen uns mit Steigeisen auf bzw. über das Glatteis führen. Außerdem sahen wir dort mehrere Abbrüche an der Gletscherzunge, die zu diesem Zeitpunkt bereits das Festland berührte, somit den Durchfluß des Sees verhinderte und diesen aufstaute. Knapp einen Monat später sollte der Eisdamm erst vom Wasser unterspült werden und eine Eisbrücke bilden, die nach einigen Tagen gänzlich kollabierte – ein Naturspektakel, dass sich alle paar Jahre wiederholt.

Von El Calafate ging es (per Bus, wie auch den Rest des Februars) nach Chile gen Süden nach Puerto Natales – die Hoffnung, die viel gerühmte W-Wanderung im Torres del Paine-Nationalpark gehen zu können, mussten wir schon lange vorher aufgeben – bis März sind die notwendigen Campingplätze und Hütten nicht im benötigten Umfang verfügbar (d.h. Zumindest teilweise ausgebucht). Bei Vertice, einem der privaten Campbetreiber im Park, konnten wir aber immerhin noch einen Zeltplatz in der Nähe des Grey-Gletschers (linker Arm des „W“) sowie eine Übernachtung im Refugio Paine Grande ergattern. Zusammen mit einer Nacht im Zelt am Camp Pehoe (ohne Reservierung möglich) ergaben sich somit vier wundervolle Wandertage in dem Teil des Parks, den ich mit Andreas am ersten Weihnachtsfeiertag wörtlich links liegen ließ. Der Bus aus Puerto Natales brachte uns bis zum Fähranleger im Nationalpark, wo wir die Rucksäcke abstellten und in einigen Stunden wundervolle Aussichten auf das Bergmassiv, einen Wasserfall sowie die Seen am Fuße der vergletscherten Berge erwanderten. Mit Rucksack und Zelt ging es dann noch gut 6 Kilometer weiter am Ufer des Lago Pehoe entlang zum Campingplatz.

Am zweiten Tag liefen wir den gleichen Weg zurück zum Anleger, bestiegen den Katamaran und setzten binnen einer dreiviertel Stunde zum Refugio Paine Grande über. Von hier ging es hinauf zum Campingplatz am Refugio Grey – begleitet von Wind, ordentlich Höhenmetern, Kondoren und vielen Gleichgesinnten Wanderern. Den Ausflug zu den nächsten Aussichtspunkten (1-2 h hinter dem Camp gelegen) mit Blick auf den Grey-Gletscher, riesige Eisberge im Gletschersee und atemberaubende Hängebrücken hoben wir uns für den Folgetag auf. Die Rucksäcke nahmen wir erst nach Rückkehr vom morgendlichen Abstecher auf und wanderten mit zunehmendem Wind und dunklen Wolken wieder hinunter durchs Tal. Für 50 USD pro Bett erwartete uns dort das Refugio – eher eine Lodge in Hotelgröße. Der nur 10 USD kostende Campingplatz war ausgebucht, somit „mussten“ wir also für das fünffache unter einem festen Dach schlafen – in Anbetracht des starken Windes und so manchem draußen mit fliegendem Zelt kämpfenden Wandergesellen nicht die schlechteste Option. Am vierten Tag machten wir uns schließlich auf zum Valle Frances – die Rucksäcke ließen wir hinter der Rangerstation zurück und wanderten „leicht“ – nur mit Wasser, Regenjacke und Proviant ausgerüstet. Nach der Vorbelastung der vergangenen Tage ließen wir es eher ruhig angehen, naschten wie bei allen Wanderungen vom wildwachsenden, lokalen Superfood: einer Art Moosbeeren (Murta, ein Myrtengewächs, auch chilenische Guave genannt) und seltener Calafate (die Stadt wurde nach der Beerenart benannt, nicht umgekehrt) und drehten noch vor Erreichen des letzten Aussichtspunktes und nach der verdienten Mittagspause um, um den letzten Katamaran des Tages und unseren Bus zurück nach Puerto Natales zu erreichen. Müde und selig erreichten wir das Yagan House Hostel und entschieden uns für einen Ruhetag mit Besuch einiger Kunsthandwerkgeschäfte in der Stadt, bevor es weiter Richtung El Chalten gehen sollte.

Die Fahrt dorthin teilten wir in zwei Etappen – erst am Nachmittag fuhr der Bus nach El Calafate, wo wir noch eine Nacht verbrachten, am nächsten Morgen dann weiter nach El Chalten. 8 Stunden reine Fahrzeit wurden somit in recht erträgliche Touren aufgeteilt. Gleich nach Ankunft in El Chalten und Bezug des Hotelzimmers wanderten wir bei bestem Wetter noch zum Tres Torres. Der Folgetag sollte windig und teils regnerisch werden – ideal um die bisherigen Eindrücke zu verarbeiten, Wäsche zu waschen, Kirschen und Burger sowie das beste Eis im Ort zu essen. Statt für eine Mehrtageswanderung entschieden wir uns für den Aufstieg zum See unterhalb des Fitz Roys mit anschließendem Fußbad im kühlen Bergsee, wenige Kilometer vom Ort entfernt. Unser Abendessen nahmen wir im vegetarischen Restaurant unter Hanfpflanzen im Gewächshaus ein – die standen da sicher nur zu Dekorationszwecken und um Hanfsamen und -fasern zum Backen und Weben zu gewinnen. Die vegane Pizza sowie die gebackene Aubergine waren jedenfalls sehr köstlich und wurden in Bariloche noch von Janine nachgekocht.

Am Abend ging (nach nochmaligem Besuch im Eisladen und der guten Bäckerei) unser Bus nach Bolson, der vermeintlichen Hippiestadt, 120 km südlich von Bariloche. Nach über 26 ermüdenden Stunden im Bus (knapp 1.500 km) bezogen wir zunächst das erstbeste Hostel, zogen am nächsten Morgen aber auf einen schönen Campingplatz am Ortsrand um. Auf der Fahrt entlang der Ruta 40 wandelte sich die Landschaft von hohen Bergketten bei El Chalten schnell zur endlosen Pampa, mit nur wenigen oasenartigen Fleckchen, die zum Obstanbau genutzt wurden und erst circa 100 km vor Bolson gab es endlich wieder Bäume und Berge. Ganz offensichtlich spielt Holz hier, in der „argentinischen Schweiz“ eine wesentliche Rolle: Das Ausmaß der Forstwirtschaften und Aufforstungen und die Bauart der Häuser bezeugten dies auf eindrucksvolle Art und Weise. Geplant war für Bolson noch eine Wanderung, aber irgendwie kamen wir nicht weit über den wirklich guten Kunsthandwerkermarkt mit seinen fast 100 Ständen hinaus. Dafür überquerten wir diesen gleich mehrfach, mal mit reichhaltig belegter Waffel in der Hand, dann um nochmal nach der Calafate-Marmelade zu schauen, und noch ein, zwei Mal, um finale Kaufentscheidungen zu treffen. Den lokalen Wochen- und Trödelmarkt mit manch Leckerei fanden wir schließlich auch noch und nicht zuletzt „das beste Eis der Region“.
Bariloche wurde schließlich zur letzten Station. 18 Kilometer außerhalb der Stadt ließ es sich sehr gut in der Air B´n´B-Unterkunft aushalten – obwohl, oder gerade, weil der Touristentrubel weit genug entfernt war. Bei wechselhaftem Wetter ging es (mit Fritz, Leihrad, Bienenstich am Finger und Ende im Regen) auf den Circuito Chico und an einem anderen Tag zu Fuß auf den Cerro Otto hinauf (Seilbahn kann ja jeder) – inklusive Kirschen- und Himbeernascherei bei der Berghütte des Andenvereins – und hinab in die Stadt.

Auf das geplante Canyoning und Kanufahren auf dem See verzichteten wir auf Grund des teils regnerischen Wetters. Am 23. Februar endete unsere gemeinsame Tour leider schon wieder. Vor dem Abschied am Flughafen wurde Fritz noch mit den aus Deutschland mitgebrachten Teilen (Kassette, Kette und zweiter Kranz waren bereits nach 3.100 teils staubigen Kilometern vollends verschlissen – das hätte sich bei früherem Kettenwechsel wohl vermeiden lassen; abgesehen davon, dass nicht alle Originalteile einfach in Argentinien zu bekommen sind, sind sie in Deutschland auch noch einiges günstiger) ausgestattet und nicht, oder nicht mehr gebrauchte Ausrüstung wie die Softshelljacke und die Radbeleuchtung flog schließlich mit nach Deutschland um Platz für mehr Wasser und/oder Verpflegung in den Packtaschen zu schaffen. Das waren drei eigentlich viel zu kurze Wochen mit einigen neuen Wanderungen, nochmal unglaublich türkisem Wasser bei El Calafate, jeder Menge wunderbarer Momente und vielen weiteren, bleibenden Eindrücken. Die Radpause tat auch dem Körper gut, deutlich wurde aber: Die Landschaft wirkt aus dem Bus ganz anders, als vom Rad aus – man sieht weniger Details, fühlt selten Steigungen, Wind, Wetter, Straßenbeschaffenheit und wechselt den Ort bzw. die Landschaft einfach viel viel schneller. Sicher hat beides seine Vor- und Nachteile.

Ab dem 24. Februar waren Fritz und ich dann wieder allein und gönnten uns noch zwei Tage im Hostel um die Ausrüstung neu zu packen, Vorräte zu besorgen und uns mental darauf vorzubereiten, wieder solo zu fahren. Ein bisschen Yoga, ein Strandtag, selbstgebackenes Brot und Apfelkuchen (immer wieder witzig, wie leicht man andere Reisende – hier unter anderem aus den USA, Polen und Deutschland – glücklich machen kann) sowie wirklich nette Gespräche mit anderen Hostelbewohnern waren jedoch ein eher schwacher Trost, zu schnell und sehr hatte ich mich an das gemeinsame Wiederentdecken Patagoniens gewöhnt.

17.01. – 03.02.2018 Chiloe, Vulkane und Seen

Mit einem Steaksandwich zum Frühstück geht es gegen 6 Uhr auf die Fähre. Um 7 Uhr laufen wir im Morgengrauen aus und lassen Puerto Cisnes hinter uns. Nebel und Wolken lassen die Fjordlandschaft nur erahnen, einige Muschel- und Fischfarmen ziehen an der Fähre vorbei. Während der 12-stündigen Fahrt gibt es lediglich einen kurzen Stopp an einer Insel, bevor die Menschen in Quellon an Land strömen. Quellon – südlichste Stadt der Insel ist reizarm. Irgendwo soll ein „Ende der Panamericana“-Schild stehen, es gibt einige Supermärkte, das übliche „Kunsthandwerk“, einfachste und dennoch nicht so günstige Unterkünfte und das Gefühl, dass die Stadt schon deutlich bessere Zeiten sah. Bemerkenswert ist die Duschkonstruktion meiner Hospedaje: Scheinbar wird das Wasser direkt im Duschkopf, der an einen Fön erinnert, elektrisch erhitzt. Zumindest deuten die Kabel daraufhin. Ich wähle dann doch lieber die andere Dusche, deren Installation etwas sicherer scheint.

Zum Mittag ein Highlight der Inseltage: Curanto – Muscheln, Fisch, Schwein, Rind, Gemüse, Kartoffeln und Brühe in einem Gericht. Sehr reichhaltig und genug Eiweiß für die nächsten Tage. Traditionell wird diese Art Eintopf im Erdloch zubereitet. Ich bekam offensichtlich die moderne Küchenvariante und nahm an, die Muscheln kommen direkt von der schwimmenden Muschelfarm, die man vom Restaurant aus sehen konnte.

Am nächsten Morgen geht es direkt weiter auf der Ruta 5 – der Autobahn die am Festland auch nach Santiago de Chile führt. Nach 100 km erreiche ich Cucao – circa 20 km von der Ruta 5 entfernt. Wind und fiese, riesige, orangene, hungrige Pferdebremsen mindern den Fahrtgenuss auf den letzten Kilometern – Wildzelten an einem der Seen ist so jedenfalls nicht möglich. Cucao rühmt sich seines kilometerlangen Pazifikstrandes – kiesig, wildromantisch und kalt. Am Horizont ahnt man die „12 Apostel Chiles“ – ähnlich denen in Australien ragen Felsen aus der Brandung. Der Weg dorthin ist jedoch nochmal 15 km weit und verläuft über fieses Waschbrett. Nach dem kurzen Strandbesuch verbringe ich den Abend lieber am Zelt mit Blick auf den See. Der nahe Nationalpark bietet keine andere Landschaft als das Umland, wird also nicht besucht.

Zurück zur Ruta 5, solange es nieselt auch ohne lästige Beißinsekten. Nach dem Kaffee- und Kuchenstop wecken die ersten Sonnenstrahlen aber auch diese Biester auf. Castro, 60 km weiter, bietet ein paar Pfahlhäuser, mehrere der für Chiloe typischen hölzernen Kirchen, frisches Obst und eine sehr nette Herberge mit entspannten Menschen. Zudem ist Castro Ausgangspunkt für Ausflüge zu den vorgelagerten Inselchen. Nächster Stop nach weiteren 100 km ist Ancud – ein für die Region typisches Folklore- und überwiegend Fressfest ließ ich aus, fuhr aber ein bisschen durch das Hinterland und wieder auf der 5 weiter nach Norden.

Ancud, bereits im Norden der Insel rühmt sich seiner spanischen Festung, oder dem, was davon übrig blieb – ein paar alte Kanonen und geschliffene Mauern – sehr übersichtlich. Dennoch macht das Städtchen einen netten Eindruck – beim Gemüsehändler beginnt mit dem Namen „Arturo Vidal“ mal wieder eine nette Unterhaltung, die in geschenktem Obst mündet. Mit einem Pausentag (inklusive Ananas mit Minzzucker, selbstgebackenem Brot und Sonnenbad auf der Veranda) auf der angeblich so regenreichen Insel stimme ich mich auf das Festland ein und verlasse nach knapp 5 Tagen die Insel in Richtung Puerto Montt / Puerto Varas. In der Nähe steigt Rauch auf und ein Löschhubschrauber pendelt über Stunden zwischen der nahen Bucht und dem Feuer, offensichtlich innerhalb der Stadtgrenze – bei all den Holzbauten entlang der Straßen ein Anblick mit fragwürdigem Bauchgefühl.

Frisch geht´s vom nächsten Hafen aus auf der Autofähre ans Festland. Nach 20 Minuten Überfahrt wird auch der letzte Rest der nächsten 100er Etappe auf dem Seitenstreifen der mehrspurigen Autobahn gefahren. Vermutlich auf Grund der Mautgebühren ist der Verkehr bis wenige Kilometer vor Puerto Montt jedoch kaum existent. Auf Flüsterasphalt geht es an Fahrradverbotsschildern und Mautstationen vorbei – die einzige Polizeistreife die ich heute sehe, besteht darauf, mir an der Autobahnauffahrt die Vorfahrt zu überlassen. Ich schließe daraus die wohlwollende Duldung unmotorisierter Zweiräder auf der Schnellstraße. In Puerto Montt wird direkt am Knast Kunsthandwerk (der Insassen?) verkauft, ein Blick hinunter in den Talkessel mit Kreuzfahrtdampfer genügt jedoch, um Puerto Varas – kaum 20 km weiter – den Vorzug für´s Nachtquartier zu geben: Eine goldrichtige Entscheidung: Der Ort ist sonnig, liegt am See und das wichtigste: Beim Campen im Hostelgarten treffe ich Liam und Jake – meine beiden ebenso bärtigen wie auch sympathischen Reisekameraden aus England. Spontan bleiben wir eine Nacht länger, backen gemeinsam vegetarische Pizza, gefolgt von Apfelkuchen und Pan Aleman. Nach kleinen Kostproben möchte die Hostelbetreiberin uns adoptieren, aber wir wollen wieder auf´s Rad. Jake und Liam hatten gerade einen Monat Radpause – um auf Kuba Familie und Freundin zu treffen (Liam) bzw. zur versuchten Besteigung des 6.900 m hohen Aconcaqua bei Mendoza und um in Santiago zu arbeiten (Jake als Stage-Rigger einer größeren Show). Und auch die beiden erhielten in O´Higgins am Grenzposten keine Touristenkarte (mit Hinweis des Grenzers,der Stempel würde doch reichen), geben mir aber den heißen Tipp, diese in Puerto Varas beim örtlichen Polizeiposten nachträglich ausstellen zu lassen. Das klappt ohne Probleme und ist wohl eine gute Entscheidung, sonst hätte ich von der Grenze wohl nochmal zurückfahren können, um die Karte irgendwoher zu bekommen.

Die kommende Woche fahren wir gemeinsam entlang der Seen (südlich des Llanquihue sogar auf Radwegen) und Vulkane (Osorno u.a.), campen teils wild, queren Flüße mit allen Rädern auf winzigen Booten, baden in Seen, Flüßen und (kleinen) Wasserfällen, haben wunderbare Mittagspausen und Unterhaltungen. Das Wetter ist weiterhin überwiegend sommerlich, oft über 20 Grad warm und trocken. Zusammen bilden wir das 3B-Team – Boys with blue Jackets and Beards. Mit 70-80 km per Tag geht es Richtung Argentinien und über den Pass im Park Puyehue schließlich ins Nachbarland. Von 300 m geht es binnen 25 km hoch auf 1300 km und auf der anderen Seite auf der Kilometerlangen Abfahrt wieder hinunter auf 800 Meter. Die Staatsgrenze lässt sich auch am unterschiedlichen Straßenbelag erkennen. Beeindruckend sind nicht nur die nahen Vulkane, auch die in Bränden zerstörten Wälder mit den ausgeblichenen hölzernen Überbleibseln haben ihren ganz eigenen Reiz. In Villa Angostura „schlafen“ wir auf dem bisher staubigsten Campingplatz – der ist eigentlich ganz schön angelegt, wenn auch vernachlässigt. Tagsüber sind die musizierenden Hippies hier ja noch ganz witzig. Aber als dann ab 23 Uhr Lagerfeuer und Musik direkt neben unseren Zelten starten, bei weitem nicht jeder Ton getroffen wird und das Gelage bis weit in den Morgen fortgesetzt wird, bereuen wir unsere Schlafplatzwahl. Müde gehen wir am nächsten Tag die letzte Etappe nach Bariloche an – nochmal rund 90 km durch Pampa, Sonne und ein bisschen Windschattenfahren. Während die Jungs campen, nutze ich mal wieder eine Hostelküche zum Backen, kuriere eine kleine Erkältung aus und fahre den Circuito Chico – eine 20 km lange Rundtour außerhalb Bariloches (insgesamt dann doch immerhin 54 km) vorbei an Stränden, Aussichtspunkten, Minibrauereien und Wäldern.

Die Stadt selbst ist sehr touristisch und vor allem die außerhalb liegenden Siedlungen überzeugen mit alpenländlicher Architektur, Wanderwegen und Stränden am kalten See. Nach zwei Tagen treffen wir drei Bärtigen uns wieder auf dem Campingplatz „Selva Negra“ und besteigen den Cerro Bella Vista – 2 h geht es steile 1000 Höhenmeter bergauf (auf 1700 Meter). Der Lohn ist ein umwerfender 360° Blick auf umliegende Berge, die Stadt, den See. Wunderbar! Am 3.2. nehme ich schließlich Abschied von den liebgewonnenen Engländern. Die Jungs fahren weiter nach Norden zur 7-Seen-Route (die ich erst Ende Februar fahre) und ich nehme am nächsten Morgen das Flugzeug nach El Calafate. Zuvor gab es noch ein Wiedersehen mit Andreas  – wie verabredet am 2.Februar um 19 Uhr an der Touristinfo. Ihm erging es wohl gut. Nach ein paar Getränken und leckerem Burger verabschieden wir uns endgültig. Fritz wartet derweil in einem Hostel auf Ersatzteile – nach 3100 km wollen Kette, die Kassette und das zweite Kettenblatt ausgetauscht werden – zuletzt rutschte die Kette auf Grund der verschlissenen Teile erheblich und es blieben „nur“ die Gänge auf dem ersten und dritten Blatt – genug um nach Bariloche zu kommen, auf Dauer aber kein Zustand. Ende Februar werden die sehnlichst erwarteten Ersatzteile dann endlich montiert.

01. – 17.01.2018 – südliche Carretera Austral

Am Neujahrstag brechen wir gemütlich aus El Chalten auf, nicht ohne zuvor nochmal die beste Bäckerei im Ort aufzusuchen. Nur 40 km sind es bis zum Fähranleger – auf verhältnismäßig gutem Schotter und über ein paar Brücken durch das Tal, welches wir schon auf der Wanderung zum Fitz Roy sahen. Wie so oft setzt leichter Regen ein und der Wind nimmt ab Mittag zu. Ein Eco-Campingplatz bietet den perfekten Ort für unsere Kakao- und Kuchenpause. Entlang der dünn besiedelten Region rund um die Carretera Austral ist uns während der nächsten Wochen fast jede Gelegenheit für eine solche Rast willkommen.

Am Nachmittag erreichen wir den Anleger und zelten an der Estancia nahebei. Scheinbar ein beliebtes Ausflugsziel – auch „unsere“ Rezeptionistin aus Calafate ist hier. Für den Zugang zum Humuel-Gletscher über privates Land verlangt der Estancia-Besitzer nochmal knapp 10 EUR. Bei stärker werdendem Regen verzichten wir jedoch dankend. Am nächsten Morgen bringt die Fähre uns pünktlich über den ersten See zum Grenzposten, in dem noch alle Daten handschriftlich erfasst werden. Anschließend beginnt das wahre Abenteuer – 22 km sind es zur nächsten Fähre, die in knapp 6 h fahren soll, wenn sie denn fährt. Wie wir hörten, sei sie sehr wetteranfällig und das größere Originalschiff ohnehin seit Wochen in Reparatur, sodass nur ein kleineres Boot fährt.

Die ersten 6-8 Kilometer des Weges sind auf einem teils steilen, oft engen, mit Steinen, Sumpf, Flußquerungen und Wurzeln versehenen Wanderweg zurückzulegen. Man könnte auch Gepäckpferde für diese Passage mieten, jedoch gehen wir die Passage ohne Hilfe Dritter an. Mehrmals muss ich absatteln, da das Rad zu breit für den tief eingegrabenen, stark erodierten Weg ist, die Gepäcktaschen zu tief hängen, der Weg sonst zu steil und das Rad zu schwer zum Schieben ist oder um die Ausrüstung über einen Fluß zu bringen. Umgefallene Baumstämme und improvisierte Brücken taugen nur selten zur trockenen Querung. Die Mehrzahl der Furten watet Andreas mit seinen „wasserfesten“ Socken durch das Wasser, um beide Räder und einen Teil der Taschen ans andere Ufer zu bringen. Den Rest schultere ich und passiere das kühle Nass an gut gewählten Stellen. Ein paar Mal bleiben wir dennoch im Modder stecken oder versinken bis zu den Waden in sumpfigen Wiesen. Dank gegenseitiger Schiebe- und Tragehilfe (wobei ich mit dem schwerer beladenen Fritz mehr Unterstützung benötige) kommen wir gut voran. Der Gipfel des Fitz Roy ist vom Weg aus noch einige Male wolkenfrei zu sehen und schließlich erreichen wir die Landesgrenze, wo uns tatsächlich Packpferde mit aufgeschnallten Rollkoffern begegnen. Außer zwei leichtgewichtigen Bikepackern auf Mountainbikes in entgegengesetzter Richtung sind wir heute die einzigen Toureros auf dem Pfad, die meisten Menschen wandern hier „nur“. Vom Grenzstein lassen sich die letzten 14 km mehr oder minder fahren – die letzten 5 km steil bergab auf ausgewaschener Schotterweg in engen Kurven mit losem und grobem Kies jedoch nur mit hohem Bremsverschleiß und ein zwei sanften Abstiegen über den Lenker bzw. die Querstange.

Am chilenischen Grenzposten werden wir freundlich empfangen, statt Gepäckcheck mit Röntgengerät wird vom spaßig aufgelegten Sergant nur der Inhalt der Taschen abgefragt: „Bananas o otra Frutas? Verduras? Semillas? Marihuana? Kokain? Ecstasy? – No? Bien!“. Um uns über den Status der Fähre aufzuklären holt er seinen jungen Kollegen, der uns dann mit Iron Maiden-Shirt bekleidet und in Deutsch aufklärt: Die Fähre fuhr heute das erste Mal seit 5 Tagen und versucht so viele Fahrten wie möglich zu machen, um den Stau wartender Fahrgäste abzuarbeiten. Das Wetter sei derzeit jedoch schlecht (wir schauen ungläubig auf den großen, stillen See). Um 17 Uhr käme die Fähre auf keinen Fall, vielleicht etwas später und wenn sie heute nicht mehr zurück fährt, dann vielleicht morgen früh um 6 Uhr. Wir sollten am Ufer warten und Ausschau halten – fast schon romantisch. Der Zeltaufbau muss also warten. Die sonst übliche Touristenkarte bekommen wir hier nicht, der Stempel solle genügen um wieder aus Chile ausreisen zu können. Bei der nächsten Grenzquerung im Seengebiet stellt sich dies jedoch als falsch heraus.

Wir warten am nahen Campingplatz mit Ausblick auf See und Hafen. Während sich die Sonne langsam senkt, bekommen wir von der 90-jährigen Campmutti Kaffee und Butterbrot, putzen die Räder, hängen das von der letzten Nacht noch nasse Zelt zum Trocknen auf und unterhalten uns mit anderen wartenden Wanderern. Gegen 18.15 Uhr sichten die Wanderer einen Punkt am Horizont – der Größe nach kann das, was da kommt nur ein kleines Fischerboot sein, dass über die Wellen hüpft. Eine Stunde später sitzen wir auf eben diesem 14 Meter-Bötchen. Sobald das Boot die geschützte Bucht verlassen hat, spüren wir, warum die Fährverbindung so wetteranfällig ist: Wir hüpfen und platschen dem Sonnenuntergang entgegen über den fjordartigen See, der Bug hebt und senkt sich alle paar Sekunden um zwei, manchmal auch mehr Meter, bevor er im nächsten Wellental aufschlägt.

Bei Einbruch der Dunkelheit fahren wir mit Radscheinwerfer die letzten 10 km nach Villa O´Higgins – alle anderen Fahrgäste kamen gerade noch so im Pick-Up das Captains mit. Das Hostel Mosco ist scheinbar DER Radfahrertreff im Ort und bietet uns noch zwei Betten, eine warme Dusche und gemütliche Küche. Würden wir hier mehrere Tage ausharren müssen wie andere Radler, die auf die Fähre nach Süden warten, gäbe es auch eine Sauna und einen Whirlpool – eine wunderbare Herberge!

Am nächsten Morgen warten wir ab, bis der Regen schwächer wird, stocken Vorräte und Kleber für die leidenden Schuhsohlen auf und starten mittags im Nieselregen auf der Ruta 7, der legendären, schon unter Pinochet geplanten Carretera Austral. Ein kurzer Schneeschauer kurz vor der Abfahrt vermag uns nicht mehr aufzuhalten – für die kommenden Tage ist ohnehin mehr Niederschlag angesagt und der Wind kommt hier fasst immer von Westen und oder Norden – also von vorn.

Zwischendurch reist der Himmel auf und es geht durch Wälder und am See entlang, später wellig, tendenziell bergauf vorbei an sumpfigen Wiesen über Schotter – anfangs gut, später schlechter. Jedoch nimmt der Wind zu und auch der Regen setzt wieder ein – nach gut 65 km erreichen wir endlich die längst ersehnte Schutzhütte, die wir nach Informationen anderer Radfahrer rund 10 km vorher erwarteten. Eigentlich stand schon der Beschluss, doch noch mit Gewalt über den Pass zu drücken um den Fähranleger zu erreichen – nochmal knapp 40-50 Kilometer – zum Einbruch der Dunkelheit wären wir (vielleicht) angekommen. Zum wilden Campen fand sich bis zur Schutzhütte  kein geeigneter, windgeschützter Ort, der weiter als fünf Meter von der Piste entfernt liegt und nicht sumpfig ist. Die letzten (einzigen) Estancias passierten wir 5 bzw. 10 km vorher, jedoch waren diese offenkundig verrammelt. Längst hatte ich den Kopf nur noch unten um Wind und Regen zu begegnen und wartete am Anfang des Anstiegs auf Andreas, als dieser mir winkend hinterherkommt. Das Holztor zur Schutzhütte einige hundert Meter zuvor muss ich übersehen haben – knapp 30 min später brennt ein wärmendes Feuer im Kamin und wir haben ausreichend Holz für die nächsten Stunden aus dem nahen Wald geholt. Wind- und regengeschützt kochen wir unsere Süppchen und bereiten das Nachtlager auf den Pritschen der Hütte aus, die ursprünglich wohl mal Gauchos, zuletzt aber vorwiegend Radfahrern als Zufluchtsort diente, wovon zahlreiche Wandmalereien zeugen. Wasser holt Andreas etwa 2 km entfernt – das hinter dem Haus stehende Gewässer scheint auch laut mehrerer Hinweise im Haus nicht trinkbar. Mit den Zeltplanen dichten wir die Bretterwände noch ein wenig ab und erwachen am nächsten Morgen – mit Regen. Bis zum Mittag muss entschieden werden, ob wir bleiben oder wir es wagen. Immerhin wird der Regen kurz vor unserer selbst gesetzten Deadline um 13 Uhr etwas schwächer: Regenhose und -jacke an und raus… Rio Bravo bzw. Yungay ist unser Ziel – nicht ganz 50 km und zwei Anstiege auf immerhin jeweils 400 Meter entfernt.

Knackig geht es heute bergauf, steil wieder ins Tal, die letzten Kilometer ziehen sich, wir sind vollkommen durchweicht von Schweiß und Regen. Das Wartehaus am Fähranleger ist offen, die Toilette aber zu – mit der letzten Fähre gelangen wir nach Yungay. Während Andreas einen eiskalten Rinnsal in Rio Bravo zum Waschen nutzt, finde ich auf der kostenlosen Fähre tatsächlich warmes Wasser im Bad vor und nutze diese phantastische Gelegenheit um mich trocken zu legen. In Yungay steht ein identisches Wartehäuschen, dazu gibt es noch einen Imbiss, in dem wir gerade noch ein großes Steaksandwich bekommen und das Bad nutzen können, bevor abgeschlossen wird. Isomatten und Schlafsäcke rollen wir diese Nacht also mal wieder in einem Wartehaus aus – per se spätestens seit Tehuelche nicht die schlechteste Übernachtungsvariante.

In den folgenden Tagen nehmen wir Berge und Schotter unter die Räder. Vorbei an Caletta Tortel (vom 20 km Umweg je Richtung zu den mit Stegen verbundenen Häusern wird uns abgeraten) geht es weiter nach Norden, meist begleitet von kleinen Wasserfällen, Flüßen, schneebedeckten Bergen am Horizont. Entsprechend malerisch ist so manch Campingplatz gelegen – auch wenn die Dusche oft nur kaltes Wasser hergibt. Ab und an gibt es auch ein Refugio mit holzgeheiztem Ofen, Brot, Himbeeren und Eier von Privatleuten am Rande des Weges – sogar selbst gemachte Marmelade, für Radfahrer extra in kleine leichte Kunststoffflaschen abgefüllt wird angeboten (und von uns gekauft). Täglich begegnen uns zwischen 5 und (häufiger) bis zu 20 Radfahrern, die in der üblicheren Gegenrichtung unterwegs sind. Beim Plausch am Straßenrand erfährt man, wo man demnächst rasten, schlafen oder Nachschub bekommen kann, wie die Pistenverhältnisse der nächsten Etappen empfunden wurden und weitere Informationen – beispielsweise zum Stand der Beräumung, des Erdrutsches bei Santa Lucia (Mitte Dezember wurden große Teile des Ortes von einer Schlammlawine verschüttet, über ein Dutzend Menschen starben) weiter nördlich, der die Durchfahrt mit dem Velo verhindert, aber wohl per Fähre umfahren werden kann. Die Angaben zur Fahrbarkeit der Strecken variiert jedoch von „nur ein-zwei Kilometer wirklich schlimm“ bis zu „30 km schlimmstes Waschbrett und faustgroße Steine/loser Schotter“ – wohlgemerkt zum gleichen Abschnitt. Somit gilt am Ende oft: Hinfahren, anschauen, erleben und leider sind häufiger die pessimistischen Einschätzungen die der Realität am nähesten kommenden. Trotz durchschnittlich 1.500 kumulierten Höhenmetern pro Tag gewinnen wir kaum an Höhe – in der Regel geht es von einem Tal über den Pass zum nächsten oder in kurzen Anstiegen steil bergauf und kurz darauf wieder herunter. Der Tagesschnitt rutscht auf 50-60 Kilometer und mehr als 10 km/h sind selten möglich. Unglaublich blau/türkis sind die Flüße und Seen – teils die wasserreichsten des Landes, mitunter gleichzeitig Grenzlinie zu Argentinien. Die Farben sind unglaublich und definitiv keine Spiegelung des (nicht) blauen Himmels, denn es ist fast immer bewölkt, nieselt oder regnet. Die Wasserfarbe kommt so den kitschigsten Postkarten von Südseestränden gleich. Wir schlafen oft nahe am Flußufer, nicht weit ab der Straße – hin und wieder in verlassenen Hütten mit Bad im eiskalten Bergfluß, manchmal an wunderbaren Campingplätzen zwischen Schafen und Pferden, oft genug mit kalter Dusche, ab und zu mit Lagerfeuer.

Nervig sind nicht nur die unzähligen (und von uns zahlreich exekutierten) großen, schwarz-orangenen Pferdebremsen, die herauskommen, sobald etwas Sonne scheint, sondern auch hier die unvermeidlichen von 4×4 – Fahrzeugen geschaffenen Waschbrettpisten“ – so wie die letzten 20 km vor Cochrane: Selten wurde ich so durchgeschüttelt, Schrauben und Speichen müssen an diesem Tag schon vor Erreichen des Zielortes geprüft und nachgezogen werden, armer Fritz. Von vielen als guter Ort für Rasttage gepriesen, bietet das Städtchen außer zwei Campingplätzen, ausgebuchten Hospedajen, den ersten Geldautomaten seit El Chaiten und immerhin einem vegetarischen Restaurant nur einen abgefahrenen Supermarkt: Nägel neben Betonmischern, Schnürsenkeln, Parfüm, Kleidung, Gemüse und Gewehren – alles in einem Geschäft. In Cochrane treffen wir Daniel aus Österreich wieder und verlassen gemeinsam die Stadt, an den zahlreichen Anstiegen entschwindet er jedoch rasch – erst zum Mittag holen wir ihn wieder an einer Bushaltestelle ein, die uns allen als Regenschutz dient. Das nächste Tagesziel, Puerto Bertrand rühmt sich als Raftinghochburg, immerhin hat der Regen zum Nachmittag doch noch aufgehört. Aus einem Truck im Ort werden frische Kirschen aus Chile Chico verkauft – DER Obstbauregion – ein Kilo ist rasch vernascht. Zum Abend gibt es die wohl teuerste Pizza seit langem – das hippe Bistro ruft stolze 18 EUR für eine gute und große Pizza auf – und doch ist dieses Essen Balsam für die regengeplagte Radlerseele.

Nach einer Woche Schauern und Regen beginnt nun endlich die Schönwetterphase mit wieder zweistelligen Temperaturen – was bleibt ist der Schotter auf der nun mehr staubigen Straße – sobald ein Auto vorbei fährt sieht man erstmal nichts. Oder einen von häufig ein bis zwei Dutzend Tourenradfahrern, die uns auf der beliebten Carretera Austral entgegenkommen. Von der organisierten Mountainbiketour mit Gepäcktransport im Begleitfahrzeug bis hin Pärchen, die die gesamte Panamerikana ab Kanada unter die Räder genommen haben oder schon seit einigen Jahren (teils mit Hund im Anhänger) um die Welt fahren, Genussradlern und internationalen Grüppchen, die „nur“ die Ruta 7 fahren ist alles dabei. Besonders beeindruckend ist die Ausrüstung eines tschechischen Pärchens: Zu Beginn ihrer Tour in Bolivien kauften sie selbst gebaute/geschweißte Gepäckträger und „Radtaschen“ aus Plastikcontainern, die sind ganz sicher wasserfest.

Der Tagesschnitt liegt an den folgenden Tagen – der Piste und Versorgungspunkten entsprechend zwischen 60 und 80 Kilometern. Und dennoch zeigt der Tacho Anfang Januar bald schon Kilometer 2000 seit Beginn der Tour.

In Puerto Rio Tranquilo legen wir nach einer Woche den ersten Ruhetag ein um am nächsten Morgen die Marmorhöhlen (Cavernas de la Marmol) zu besichtigen. Die Felsausspülungen können per Kajak (mit vorherigem Motorbootshuttle) oder kleinem Motorboot besucht werden – knapp 70 EUR für 2 h Kajak sind jedoch keine wahre Option und wir entscheiden uns für die motorisierte Variante mit Erklärungen des Bootsführers zu einem fünftel des Preises. Ungefähr 10 Passagiere passen auf die kleinen Boote, die gerade so ein-zwei Bootslängen in die „Höhlen“ einfahren können. Auf der Fahrt zu den Felsen und zurück geben die Bootsführer mächtig Gas und heizen über die Wellen – nicht umsonst bekommt jeder eine Plane als Spritzschutz. Die Höhlen und Felsenformationen sind sehr hübsch anzusehen. Trotz angenehmer Lufttemperatur ist auch dieser See jedoch zu frisch zum Baden.

Auffällig sind die vielen Baustellen in den kleinen Ortschaften – überall entstehen Cabanas und andere Unterkünfte – scheinbar erwartet man einen großen Touristenansturm. In Cerro Castillo endet endlich der Asphalt – nicht jedoch, ohne dass die Straßenarbeiter nochmal die größten auffindbaren Flußkiesel auf einer Länge von 30 km möglichst lose und gern auch an Anstiegen auf die Straße gebracht haben. Trotz halbwegs breiter Reifen ist es kaum möglich, im Sattel zu bleiben – ständig werde ich von großen Steinen ausgehebelt, versinke im tiefen Schotter oder komme wie beim Aquaplaning (nur gänzlich ohne Wasser) schlicht von der Straße ab. Am späten Nachmittag habe ich genug von Staub und Schotter und kann einen Pickup anhalten. Drei Bauingenieure nehmen mich freundlicherweise die letzten 15 km mit bis in den Ort, wo am Straßenrand in beide Richtungen jeweils zehn Backpacker auf eine Mitfahrgelegenheit hoffen – der Verkehr ist spärlich, viele stehen über Stunden in der Sonne. Andreas quält sich derweil weiter über die Piste und erreicht das Camp als mein Zelt schon steht und ich gerade aus der Dusche komme. Fritz hatte ich für ihn als Wegweiser zum Camp an der Abfahrt der Hauptstraße angeschlossen. In Cerro Castillo soll man wunderbar wandern können, der namensgebende Berggipfel in Burgform ähnelt jenen im Torres del Paine sowie dem Fitz Roy. Am besten ist jedoch die Dusche am Campingplatz: Warm, ausnahmsweise mit vernünftigem Wasserdruck. Da wir die vollausgestattete Küche des nebenan liegenden Hostels nutzen können und dort sogar noch etwas Mehl im Regal auffindbar ist, gibt es am Morgen Eierkuchen – eine willkommene Abwechslung zu Haferbrei und Müsli.

Mit Beginn des Asphalts erreichen wir endlich wieder normale Reisegeschwindigkeit – um die 18-20 km/h, wenn kein starker Wind weht. Aber auch neue Höhen werden erreicht: Es geht von circa 400 auf bis zu 1.100 Meter hinauf. Fast 20 Kilometer ist die folgende Abfahrt lang – nur von kurzen Zwischenanstiegen unterbrochen. Knapp weitere 100 km werden es am nächsten Tag nach Coyhaique – der einzigen Großstadt auf der Carretera Austral. Leider nimmt nun auch der Wind wieder zu. Aus Seitenwind wird Gegenwind mit 40/50 km/h – nach dem Mittag rasen wir mit 7 km/h der Stadt entgegen, bergab auf langem Abfahrten sogar mit furiosen 10 km/h. Laut Vorhersage sind noch stärkere Winde zu erwarten und Regenwolken ziehen auf. Auch heute wird Fritz für die letzten 15 km auf eine Ladefläche verfrachtet. Andreas beißt sich wieder durch und kommt gut drei Stunden nach mir im Hostel (einer in den Ferien zur Herberge umfunktionierten Schule) an. Zu der Zeit bäckt längst mein Brot im Kochtopf auf dem großen Gasherd. Dass die Röhre ist nicht nutzbar ist, sah ich leider erst als der Teig längst geknetet war. Coyhaique bietet nach zwei Wochen auf der Ruta 7 wieder vollen Service: Vom großen Unimarc-Supermarkt bin ich nach all den kleinen Kiosken mit überschaubarem Angebot total überfordert, zwei von fünf Radläden haben tatsächlich geöffnet und ich kann endlich die Schaltung nachstellen und mein Hinterrad zentrieren lassen. Ansonsten das übliche Pausentagprogramm: Wäsche waschen, Ort erkunden, Vorräte aufstocken, es gibt Eis, Backwaren, viel frisches Obst und Gemüse und andere Leckereien, die auf der Straße angeboten werden.

Bis zum 15. Januar fuhren Andreas und ich noch gemeinsam weiter – teils freiwillig über Schotter und durch kilometerlange Baustellen, um größere zwar asphaltierte aber verkehrsreiche Umwege und noch mehr Gegenwind zu vermeiden. Die Landschaft mit zahlreichen Naturreservaten, wilden Lupinenfeldern und Fuchsien blieb jedoch unverändert großartig. Immer wieder fühlen wir uns an Neuseeland erinnert – auch Andreas fuhr dort vor einigen Jahren für ein paar Wochen. In Villa Amengual verpassen wir uns schließlich zur verabredeten Pause, wenige Kilometer weiter endet mein Radtag am brandneuen Campingplatz einer jungen Familie – mit Pie de Limon, Lagerfeuer und mit rauschendem Fluß in der nebenan gelegenen Schlucht. Über zwei Wochen später treffen wir uns wie verabredet in Bariloche wieder – Andreas kurbelte an diesem Tag noch etliche Kilometer weiter über den 800 Meter hohen Schotterpass zum Queluat-Nationalpark und wie geplant die nächsten Tage weiter auf der Carretera nach Norden – den Erdrutsch umging er später im kleinen Boot. Für mich geht die Reise am 17. Januar hingegen von Puerto Cisnes per Fähre nach Quellon auf die normalerweise regenreiche Insel Chiloe. Auf der Fähre treffe ich Engländer wieder, die mir auf Feuerland entgegen kamen.

20. – 29.12.2017 Torres, temporäres Tourette und Happy End

In Punta Arenas bleiben wir zwei Nächte – Regen und starker Wind verzögern die Weiterfahrt. Genug Zeit zum Vorräte aufstocken und Spazieren, die Küche im Hostel ist auch ganz brauchbar. Unverständlich jedoch einer Zimmergenossin aus Leipzig über vergangene Reisen: Thailand war ihr zu warm und feucht, auf den Gallapagosinseln gab´s 9 Tage lang nur Tiere zu sehen und am Strand lagen lauter Leguane, die auch noch rochen – nicht mal baden könne man da. Ohne Worte. Entlang der Küste geht es gegen 8 teils auf Radwegen und im fließenden Verkehr aus der Stadt heraus. Meine Sattelstütze scheint nicht ganz fest zu halten, Ersatzschrauben sind aber dabei. Andreas muss nach wenigen Kilometern Schlauch und Mantel am Vorderrad wechseln – dies zeichnete sich aber schon länger ab, mit gleich vier Ersatzreifen ist er gut ausgestattet, im Schnitt muss er alle 2000 km mindestens einen Mantel wechseln.

Bei 10 Grad und zunehmendem Wind – seitlich und von vorn geht es mit 12 km/h voran. 18 Uhr erreichen wir Villa Tehuelche – die einzige nennenswerte Anhäufung von Häusern auf dem Weg nach Puerto Natales. Vom Campingplatz ist nichts zu sehen, die Hosteria ist nicht ausgewiesen, leider auch nicht das Sportzentrum mit (laut GPS) Sauna, wo wir hofften duschen zu können. Stattdessen gibt es aber eine (geschlossene) Bibliothek, einen Kiosk und einen Imbiss mit Empanadas und dergleichen. Am Verwaltungsgebäude trifft sich die Gemeinde und bereitet das Weihnachtsgrillen im großen Maßstab vor UND direkt gegenüber steht die beste Bushaltestelle der Welt: winddicht verglast und groß genug um locker uns zwei mit Rädern und den schon vor Ort eingerichteten Peter zu beherbergen. Peter kommt aus der Gegenrichtung und beendet seine Tour in Punta Arenas. Beim einzigen Trampversuch mit Rad hatte er Glück: Auf der Ladefläche sitzend überschlug sich „sein“ Pickup nach einem Reifenplatzer und landete auf dem Dach – eine kleine Delle am Stahlrahmen des Rades war der einzige Schaden – nicht mal einen Kratzer hat er. Beim Anblick der Fotos steht fest: Die Ladefläche ist für folgende Autostopps keine Option.

Gemeinsam kochen wir auf unseren Gaskochern – je 300-500 Gramm Reis bzw. Nudeln, dazu gab´s noch einen Burger vom Imbiss. Dennoch schweifen unsere Blicke regelmäßig zum großen Grill

hinüber. Beim Abwasch im „Rathaus“ werden wir schließlich „gebeten“ zum Grillen hinzuzukommen. Uns werden Lamm von der nächsten Estancia, Huhn, Apfelwein, Rum und Softdrinks gereicht – in rohen Mengen und immer wieder. Es wird ein lustiger und unvergesslicher Abend mit wenigen Brocken Spanisch, dem Bürgermeister, der etwas Deutsch spricht, den Gemeindearbeitern und deren Familien. Wir posieren für die obligatorischen Fotos, loben immer wieder den herausragenden chilenischen Fußballspieler Arturo Vidal und sind beflissen, nicht unhöflich zu sein und so viel zu essen, wie wir schaffen. Auch die Herausforderung des Trinkens aus dem Ledersack meistern wir zum Erstaunen dieser unglaublich netten Menschen. Spät am Abend ziehen wir uns in unsere Hütte zurück, nicht ohne noch etwas für den Weg in die Hand gedrückt zu bekommen. Vollgefressen schlafen wir selig, warm, trocken und windgeschützt in der Bushaltestelle – für die kleine Gemeinde und deren Einwohner wohl kein ungwohnter Anblick.

Der nächste Tag lässt nur 50 km auf dem Rad zu – zu stark sind die Seitenwinde und als die Straße vollends gen Westen biegt, ist an ein Vorankommen nicht mehr zu denken (Gegenwind mit 11 – 18 m / Sek). Bis Puerto Natales kommt auch keine weitere Siedlung, die erreichbar wäre. Wir stoppen an einem Polizeiposten und nutzen die kleine Bushaltestelle als Pausenpunkt. In der Umgebung gibt es ein paar alte Verschläge am Fluß, die als windgeschützte Unterkunft herhalten könnten. Am Horizont regnet es bereits aus dicken Wolken. Zwei Farmarbeiter gesellen sich zu uns – auch auf dem Weg nach Puerto Natales, allerdings mit dem Bus, der 1,5 h später fahren soll. Gemeinsam schauen wir aus dem Fenster die Straße hinunter, bei jedem nach einem Pick-Up aussehenden Fahrzeug stelle ich mich in den Wind an die Straße und versuche mein Glück. Viel Verkehr gibt es nicht, Wägen mit freier Ladefläche und Platz im Inneren auch nicht. Quasi zeitgleich mit dem Bus hält ein Amerikaner aus San Francisco. Bill hoffte, dass mit mir eine hübsche, weibliche Begleitung aus dem Wartehäuschen in seinen Wagen steigen würde, nimmt mich und den so gar nicht weiblichen Andreas aber dennoch mit bis Puerto Natales. Die Fahrt ist kurzweilig, Bill ein angeblicher Frauenheld, der gern Lenkdrachen steigen lässt und die Landschaft wird hügeliger mit feinen Bergen links und rechts des Tals. Nach gut 1,5 h erreichen wir den Ort mit extrem hoher Outdoorladendichte und suchen uns ein nahezu leeres Hostel mit wunderbarem Frühstück (Brot, Rührei, Müsli, Joghurt…). Im Radladen bekomme ich den richtigen Ersatz für meine zerbrochene Schraube an der Sattelstütze. Wir bleiben noch eine weitere Nacht, nehmen an einer unterhaltsamen Infostunde zum Nationalpark (tägl. 15 Uhr im Erratic Rock – Ausrüstungsverleih) teil, genießen guten Kaffee, stocken wie immer in den Städten Vorräte auf und nutzen die Möglichkeit, mal wieder frisches Obst und Gemüse zu bekommen.

Heiligabend geht es weiter Richtung Torres del Paine Nationalpark – ein Stück am windigen See entlang, dann auf der Ruta 9 bis zum Abzweig zur Riesenfaultierhöhle. Die Straßensperrung der Y290 und die ausgewiesene längere Umleitung über schlimmen Schotter ignorieren wir und fahren mal wieder über eine für den weiteren Straßenausbau vorbereitete Piste. Die 200 Meter tiefe, 80 Meter breite und 30 Meter hohe Faultierhöhle nutzen wir zur Mittagsrast und posieren neben dem Modell des gut vier Meter langen (bzw. stehend hohen) Faultiers. Auf Schotter geht es wellig und mit später starkem Seiten- und Gegenwind Richtung Nationalpark – vorbei an Seen und Bergketten. Bushaltestellen dienen auch heute zur Rast bei kurzen Regenschauern, in deren Nähe finden wir Calafate – blaubeerartige Früchte mit vielen Kernen, die man ausspuckt – die an hohen Sträuchern wachsen. Abseits der seltenen Haltestellen bietet nur selten ein Baum etwas Schutz vor dem Wind. Die Sattelstütze bekomme ich leider immer noch nicht richtig arretiert, bei jedem Schlag der unebenen Straße rutscht der Sattel ein wenig weiter runter, was das Vorankommen weiter erschwert.

Direkt vor dem Parkeingang erwartet uns ein schöner Campingplatz am Fluß – mit Strom, überdachten Tischen und ausreichend Platz. Nur die versprochene warme Dusche bleibt kalt. Eiskalt. Weihnachten feiern wir mit Dosentunfisch, Vollkornriegel, Schokokuchen und ein bisschen Weihnachtsdeko. Bei Sonnenuntergang um 23 Uhr schlafen wir bereits – wie so oft.

Zum ersten Weihnachtsfeiertag geht es in den Park hinein – die Türme des Torres del Paine werden sichtbar, ein Stück Gletscher am Horizont, malerische Seen an denen die Straße direkt vorbei und dann wieder in die Hügel führt. Zum Glück haben wir Rückenwind, das ständige Auf und Ab der Straße und teils sehr grober Schotter (mancherorts faustgroße Flußsteine) erschweren das Vorankommen aber erheblich, noch dazu mit zu tief sitzendem Sattel. Die sicher lohnenden Tageswanderungen entlang des Weges lassen wir aus – am anderen Ende des Parks haben wir bereits den Zeltplatz gebucht und eine Wanderung geplant. Für die nur 60 km durch den Park zum Campingplatz Torres Central benötigen wir sechs Stunden – und auch heute gibt es kaum Windschutz für eine Pause. Andreas hat gleich zwei platte Reifen zu flicken.

Für zwei Nächte bleiben wir auf dem Campingplatz am Fuß des Hauptberges. Wanderer, die hier die viertägige W- oder die 7-9-tägige O-Wanderung beenden, lassen Nudeln, Reis, Tütensuppen, Gas, Riegel und Nüsse bei den Rangern zur freien Verfügung zurück. Ein kleiner Kiosk hat zudem Eier und ein paar Äpfel im Angebot. Wir essen an diesen Tagen gut und günstig, die Jagd nach kostenfreier Nahrung wird zum vergnüglichen Sport, jeder Fund wird stolz präsentiert und aufgeteilt. Im Tausch geben wir einige nicht benötigte Klamotten in den Tauschkasten, die nach kurzer Zeit schon neue Besitzer finden. Die Wanderung zum Aussichtspunkt des Cerro Torres ist wunderschön – meist durch das Tal des Flußes, mal im freien Gelände, mal im Wald, am Ende über Geröll und Schutt steil den Berg hinauf – dies ist der anstrengendere Teil mit mehr Wind. Am Ziel thronen die Felsspitzen oberhalb des kleinen Bergsees. Auf dem Rückweg überholen uns Gauchos mit Transportpferden, die zur Versorgung der beiden Rangerstationen bzw. Campingplätze entlang des Weges eingesetzt werden. Die 8 km je Richtung werden offiziell mit 4 h Gehzeit angegeben – wohl für all jene, die in Flipflops, Wintermantel, mit Keilabsatz, Kind auf dem Rücken oder verstauchtem Knöchel und ohne Wasserflasche den Weg antreten – Vertreter dieser Spezies begegneten uns leider auch auf dem subalpinen Weg. Ohne Hast und mit Pausen reichten mir ca. 2,5 h auf dem Hinweg und knapp 2 h zurück – so bleibt ausreichend Zeit, um am Zeltplatz endlich die Sattelstütze vernünftig zu fixieren und das Gepäck zu sortieren.

Am 27. Dezember werden wir vom Rückenwind aus dem Nationalparks getrieben, am Kragen einige sanftere Hügel hinauf gezerrt und außer Landes gepeitscht: Nach 10 km endet der Nationalpark und auch der Schotter – endlich wieder Asphalt! Ein paar nette Aussichtspunkte mit Blick zurück auf den Park gibt es noch. Das 60 km entfernte Cerro Castillo erreichen wir am frühen Nachmittag – hier könnten wir vielleicht ein Bett finden, der Kiosk gibt immerhin etwas Brot und Obst sowie Kekse und ein Eis her, ansonsten bietet der Grenzort aber nichts. Wir entscheiden uns, den Rückenwind zu nutzen und weitere 50 km nach Tapi Aike zu fahren – an der dortigen Tankstelle soll man campen, duschen und essen können, sogar von Internet ist an mancher Stelle die Rede. Wir reisen aus Chile aus – die Frage des Beamten nach Zollpapieren für die Räder müssen wir verneinen, nie etwas davon gehört. Nach dem argentinischen Grenzposten geht es nochmal 10 km auf schlimmen Kies, dann jedoch mit Wind von schräg hinten auf Asphalt. Bei den starken Böen ist Vorsicht geboten – häufig brauchen wir unsere ganze Fahrspur um den Seitenwind auszugleichen. Bis auf 1,5 km am Berg gegen den Wind treibt uns dieser gut voran. Nach dem Pass geht es mit vollem Rückenwind und selten unter 40 km/h durch Pampa mit silbern leuchtendem Gras und Bergpanorama. Tapi Aike kommt bald in Sicht. Das Zelt dürfen wir hinter der Straßenwacht aufbauen.

Dusche, Toilette, Essen: Fehlanzeige! Etwas Trinkwasser für unsere Flaschen bekommen wir noch, kaufen Limonade, Salzgebäck – mehr hat die Tanke allerdings auch nicht zu bieten – mit Ausnahme von gekochtem Guanakofleisch fragwürdiger Herkunft für 13 EUR pro Glas. Wir lehnen dankend ab, kochen und verziehen uns ins Zelt. Der folgende Donnerstag wird zum Tourettetag: Anfangs noch ruhig geht um Punkt 10 Uhr wieder die Windmaschine an – nun allerdings fast ausschließlich von der Seite. Die Piste, ein Abschnitt der alten Ruta Nacional 40, jetzt Ruta Regional 7, fährt sich äußerst Bescheiden: loser Schotter, Waschbrett, Steine mal wieder faustgroß … Wir treffen zwei Amerikaner aus deren Lautsprecher am Lenker Phil Collins dröhnt: „ohhh … think twice … it´s just another day for you and me in paradise“ – heute irgendwie nicht. Der Wind wird stärker, alle viertel Stunde kommt mal ein Auto vorbei. Eine der vorderen Radtaschen löst sich wegen der Huckelpiste häufiger vom Lowrider. Gegen Mittag ist an Fahren nicht mehr zu denken – 12 km schieben wir, dieser Tag geht als Tourettetag in das Tourtagebuch ein – doch jedes Fluchen hilft nicht. In der Mittagspause repariere ich die Taschenhalterung und weiter geht es – bergauf, bergab, geradeaus – zum Großteil geschoben. Die Seitenwinde drücken uns immer wieder in den losen Kies am Straßenrand, noch 25 km (von knapp 70 km) bis zum Ende des Schotters. Beim nächsten Windschutz müssten wir campen und am nächsten Morgen vor dem Wind versuchen vom Abschnitt herunterzukommen. Nach etlichen Familienkutschen kommt endlich doch noch ein Pick-Up, den ich anhalten kann. Er fährt vor und wartet dann an einer besseren Stelle – nach etwa einem Kilometer – bei der verlassenen Polizeistation, unserer geplanten Notübernachtungsoption – holen wir ihn wieder ein und dürfen unsere Räder samt Gepäck auf der Ladefläche verstauen. Andreas und ich finden gerade noch auf der Rückbank Platz. Endlich geht es raus aus dem Wind, runter vom Schotter – die Beifahrerin verteilt mehrere Runden köstlichen Maté und wir fahren nach El Calafate. Lediglich ein Flaschenhalter war den heutigen Vibrationen des Schotters am Rad und auf der Ladefläche nicht gewachsen und bricht. Ersatz gibt es beim nächsten Stopp. Auch dieses Mal haben wir Glück und sind dankbar für die Hilfsbereitschaft der Argentinier. In Calafate checken wir in ein Hostel mit vergleichsweise grandiosem Frühstück ein (Eierkuchen, Rührei…) und schmieden Pläne für die nächsten Tage. Angesichts der weiteren reinen Westrichtung der Straße nach El Chalten entscheiden wir uns, diesen Abschnitt per Bus zu überwinden. Tickets buchen wir schon für den nächsten Tag. Außer Supermärkten, Bäckereien und Möglichkeiten die Gletscher zu besuchen oder zu reiten bietet El Calafate nicht sonderlich viel. Dank einer Mountainbike-Gruppe im Hostel gibt es auch reichlich Auswahl an Radkartons zur Verpackung der Räder. Die letzten beiden Tage des Jahres verbringen wir in der kleinen Stadt El Chalten mit Bäckereivergleichen, Wanderungen zum Lago Torres (9 km je Richtung) und Fitz Roy (10 km je Richtung) – jeweils mit 8-10 Stunden angegeben, stellen sich diese Wege doch wesentlich leichter dar – nach knapp der Hälfte der angegebenen Zeit bin ich zurück im Ort. Die großzügigen Zeitangaben sind sicher den vielen mit vollem Gepäck wandernden Menschen aller Fitness- und Ausrüstungsstufen geschuldet. Die Aussichtspunkte jedoch lohnen den Weg absolut. Die Gipfel türmen sich, teils schneebedeckt und mit darunter liegendem See und nur einige Wolken winden sich in diesen Höhen rund um die Felsen.

Am betont unaufgeregtem Silvesterabend schaffen wir es mit Mühe bis Mitternacht wach zu bleiben – wir wünschen allen „Feliz Ano“ und gehen ins Bett. Am 1. Januar geht es über Schotter zum Lago Desierto, an den darauf folgenden Tagen über steile Wanderwege (mit Rad) und eine weitere Fähre nach Villa O´Higgins – und schon sind wir wieder in Chile.

13. – 20.12.2017 Zum Ende der Welt und zurück

Von Rio Grande geht es die gut 110 km nach Tolhuin – günstiger Wind auf den meisten Streckenabschnitten, etwas Küste, etwas mehr Hügel und nach 50 Tageskilometern endlich wieder ein Baum – anfangs nur Totholz, dann Wald – die Pampa ist vorbei, welch Wohltag für´s Auge. Unterwegs treffe ich auch endlich wieder Toureros – ein kanadisches Pärchen auf dem Weg nach Norden (ihr Tag 3 auf der Panamericana) und im famosen Casa de Ciclista an der Bäckerei „La Union“ in Tolhuin zwei Tschechen (Ü65), ebenfalls auf dem Weg Richtung Norden. Das Feriendorf Tolhuin bietet Supermarkt, Aussteigerhütten, sehr viele, charmante Cabanas und einen alternativen Campingplatz errichtet aus recycelten Bohlen sowie Paletten direkt am See Lago Fagnano. Zuvorderst aber eben „La Union“ – hunderte, tausende Radler (und Wanderer / Tramper) nächtigten hier bereits im Raum neben dem Mehllager – oder in einem zusätzlichen Raum im Untergeschoss – und genossen die Gastfreundschaft der Bäckerei, Gebäck, Brot, Schokolade. Das für die Unterkunft gesparte Geld wird sehr sehr gern an der Theke für Backwerk und Nascherei ausgegeben. Am improvisierten Abendbrottisch mit fauchenden Gaskochern treffen sich am zweiten Abend des Hanuka-Festes so zwei Physiotherapeutinnen aus den Golanhöhen, ein Schweizer (der Ushuaia schnell wieder verließ, weil´s da nur aussieht wie daheim), zwei witzige Tschechen (die Englisch mit einem Witzebuch – Tschechisch-Englisch lernen)  und ein zotteliger Deutscher, allesamt selig, eine Dusche und ein Dach über dem Kopf zu haben.

Die letzten 100 km nach Ushuaia beginne ich entlang des Sees, über den mir Wellen entgegen schlagen – heute also schön gegen den Wind. Die Ruta 3 kurvt entlang des Seeufers, mit kurzen Abstechern nach Osten, um dann in Gegenwindrichtung und wellig zurückzukommen. Nach nicht ganz der Hälfte der Tagesetappe beginnt der ca. 5 km lange Aufstieg zum Passo Garibaldi – 420 Meter über Null. Die Aussichten ins Tal belohnen die Mühe, kurze Schauer mit Graupel, Regen und Hagel wechseln sich mit Sonne und Nebel bei 5-10 Grad Lufttemperatur ab. Nach einer halben Stunde ist dann auch dieser erste echte „Berg“ kurbelnd bezwungen und es geht bergab – mit sagenhaften 14 km/h mit Treten und Gegenwind. Viel Bremsen muss ich also nicht. Im anderen Tal gibt es immer schönere Aussichten auf die umliegenden, schneebedeckten Berge, erste Wintersportresorts mit Skiliften, Snowmobilen, Huskies säumen den Straßenrand, wenn nicht gerade ein verwunschener Wald bis an den Asphalt heranreicht bis sich das Auenland öffnet. Just bei Kilometer 1.000 auf dem Tacho ergibt sich die Gelegenheit für einen wärmenden Kaffee im Wintersportparadies. Die letzten 20 km geht es dann vollends gegen den Wind – wie, als wenn mir die Ankunft am „Ende der Welt“ nicht vergönnt wird. Mit 10 km/h geht es voran, auch die abschüssige Straße sorgt nicht für wesentliche Beschleunigung bis schließlich das Eingangsportal der Stadt in Sicht kommt. Durch den Containerhafen und über manch steile Hangstraße geht es noch gut 8 Kilometer ans andere Ende der Stadt zum Hostel. Das Bett, die Wärme und der freundliche Empfang sind eine wahre Wohltat.

Ein paar Tage verbringe ich am „Tor zur Antarktis“ – nach einem kurzen Abstecher zum Nationalparkeingang treffe ich in der Stadt Andreas – der fuhr die knallharte Ruta 40 von Bariloche in knapp 3 Wochen bis hierunter – 140er Tagesschnitt durch die Pampa, respekt! Gemeinsam suchen wir nach Optionen wieder nach Norden zu gelangen – via Fähre für 125 US$ nach Puerto Williams (die noch südlichere chilenische Stadt am anderen Ufer des Beagle Kanals) und per Autofähre für weiterer 180 US$ nach Punta Arenas, per günstigeren Bus 10 h ebenso dahin oder 5 Tage gegen den Wind auf bereits bekannten Pisten und zwei Rädern zurück zum Festland. Die sicher schöne Fähre fährt erst am 23.12. wieder und ob sie fährt, erfährt man erst einen Tag zuvor. Auf eine Routendopplung haben wir beide wenig Lust und Bus Sur kann uns dieses Mal die Radmitnahme garantieren – ohne Kartonpflicht – und entsprechende Plätze reservieren. Am 19.12. geht´s also weiter. Der Versuchung, zum Schnäppchenpreis in die Antarktis zu fahren, widerstehen wir gerade so. Ab 6.500 US$ hätten wir uns für 9 Tage an Bord eines „Expeditionsschiffes“ (eher ein mittelgroßer Kreuzfahrer) begeben können. Oder für nur 12.000 auf die längere Tour über drei Wochen. Manch anderer lässt sich verlocken und bucht spontan im Reisebüro. Das Reisebudget für ein halbes (bzw. ganzes) Jahr – wooooosh, schon ist es von der Kreditkarte runter. Dann fahren wir doch lieber für knapp 50 EUR nach Punta Arenas und später deutlich länger deutlich weiter durch die Länder des Kontinents.

Bis dahin verbringen wir einen Ruhetag mit Café, Souveniershops, dem Museum zum Ende der Welt, der Suche nach geeigneten Packplanen für die Räder (schließlich im Abfall gefunden) und einem Kameraladen in der Stadt. Sonntag bringt uns die Paludine mit Motor und Segelkraft sowie nur 6 weiteren Passagieren und zwei Crewmitgliedern auf den Beagle-Kanal – Albatrosse, verschiedene Kormorane, Magellanpinguine, ein Königspinguin, Robben besuchen wir. Dabei fährt das Boot bis auf wenige Meter an die jeweiligen Inseln heran – ohne die Tierchen zu stören. Zudem gibt es tolle Sicht auf beide Ufer des Beagle-Kanals, Inseln, Kreuzfahrer. Nach 4 Stunden auf dem Wasser, heißer Schokolade und Keksen geht es per Shuttle zurück in den Ort. Am letzten Tag vor der Abfahrt geht es die obligatorischen 20 km zum Ende der Ruta 3 – letztlich ein unspektakulärer Parkplatz im Nationalpark, aber weiter südlich geht es auf Straßen nicht auf argentinischem Staatsgebiet. Der Tag ist sonnig, mit 8 Grad fast schon warm und noch im Nationalpark erklimmen wir den Cerro Guanako – auf 900 Höhenmeter geht es hinauf – binnen 4 km vom Seelevel durch Wald, sumpfige Wiesen, kleine Schneefelder und den steinigen Weg zum Grat hinauf. Die angegebenen 4 Stunden je Richtung wurden von der Nationalparkverwaltung wohl sehr vorsichtig geschätzt. Oder wir sind einfach dolle Hirsche: Nach 2,5 h sind wir oben. Der Abstieg nimmt genauso lange in Anspruch, aber zuvor wird das Rundumpanorama genossen – auf die Stadt, die Seen, die Berge, den Beagle-Kanal. Leichten (starken) Muskelkater verspüre ich noch in Punta Arenas. Die Weiterfahrt von dort verzögert sich wegen starken Regens und Wind mit bis zu 50 km/h aus der Gegenrichtung. Punta Arenas ist jedoch niedlich anzuschauen – endlich eine Stadt, die den Namen verdient. Unser Zimmer liegt über einem Tangoclub mit Livemusik, man findet alle Geschäfte im Ort, imponierende Gebäude aus der Kolonialzeit, Apfelstrudel mit Sahne und heiße Schokolade. Zudem auch Museen, Nachbauten alter Schiffe und einen wohl hübschen Friedhof – all dies sparen wir uns aber und ruhen uns aus. Am 21.12. fahren wir weiter nach Norden. Weihnachten sollten wir am Torres del Paine Nationalpark bzw. Puerto Natales sein (250 km) – ggfs. im Zelt. Die kommenden Tage erwartet uns also Wind aus der Hauptrichtung – West/Nordwest. Wie oft, schön von vorn. Bis Ende Januar hoffen wir auf der Carretera Austral nach etwa 1.800 km San Carlos Bariloche zu erreichen, von dort geht Andreas´ Flieger in die Heimat.